Mit wissenschaftlicher Präzision gegen den Klimawandel: MAN Truck & Bus hat sich gemeinsam mit mehr als 2.500 Unternehmen der Initiative Science Based Targets angeschlossen, um entlang eines validierten Pfades Treibhausgase zu reduzieren. Das Commitment hat einen doppelten Nutzen.

Text: Anne Jacoby

Es bleibt nicht mehr viel Zeit für die doppelte Aufgabe, der sich MAN Truck & Bus verpflichtet hat. Die Dringlichkeit eines Wandels hat der Bericht des Weltklimarates der Vereinten Nationen IPCC vom August 2021 noch einmal eindrücklich verdeutlicht. „Wir müssen das ganze Unternehmen gleichzeitig weiterentwickeln und transformieren“, erklärt Fabian Heidinger, Leiter der MAN Nachhaltigkeits- und Dekarbonisierungsstrategie. Der knappe Zeitraum ergibt sich aus dem CO2-Budget, das zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels noch zur Verfügung steht. Wird mehr emittiert, verschieben sich Klimazonen und Küstenlinien, Extremwetter-Ereignisse häufen sich. Klimafolgen wie diese gilt es zu verhindern.

TRATON GROUP Fahnen
Elias Olsson

Fabian Heidinger, Leiter der MAN Nachhaltigkeits- und Dekarbonisierungsstrategie

Die Zeit drängt - MAN handelt

Als Reaktion darauf haben 2015 in Paris 197 Staaten ein gemeinsames Klimaabkommen vereinbart. 2019 hat sich die Europäische Union mit ihrem European Green Deal eigene, ehrgeizigere Ziele gesetzt und im Sommer 2021 hat sie das Richtlinienpaket Fit for 55 verabschiedet, das verschärfte Klimaziele, marktorientierte Maßnahmen und ordnungsrechtliche Vorschriften vorsieht. Vor diesem Hintergrund geht MAN noch einen Schritt weiter.

Der Nutzfahrzeughersteller hat Nachhaltigkeit zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Unternehmensstrategie erklärt. Unter dem Motto NewMAN setzen die Münchner bis spätestens 2050 auf null CO2-Emissionen. Im Fokus: vollelektrische Busse, schwere Lkw und mittlere bis leichte Nutzfahrzeuge, aber auch das autonome Fahren oder Digitalstrategien zur Streckenoptimierung. „Da ist noch viel Potenzial im Markt“, ist Heidinger überzeugt. Hebt ein Nutzfahrzeughersteller wie MAN dieses Potenzial, bringt das zwei existenziell wichtige Themen zugleich voran: schnellstmöglich dekarbonisieren – bestmöglich auf dem Markt positionieren.

Ökonomie und Ökologie im Einklang

Laut European Environment Agency verursacht die Transportbranche rund ein Drittel der EU-weiten CO2-Emissionen. Davon geht wiederum ein Drittel auf das Konto von Lastwagen im Fernverkehr. „Ich würde am liebsten schon heute große Stückzahlen von E-Lkw und E-Bussen auf den Straßen sehen“, sagt Heidinger. „Aber das geht nur, wenn alle Beteiligten mitmachen.“ Gemeint sind Speditionen und Kommunen, gemeint sind aber auch der globale Aufbau der Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge und der Ausbau erneuerbarer Energien. Die Veränderungsdynamik verteilt sich auf viele Schultern. „Wir wollen unserer Verantwortung gerecht werden“, ist Heidinger entschlossen.

Ambitionierte Nachhaltigkeitsziele entwerfen – das ist die eine Sache. Einen Traditionskonzern wie MAN umsteuern, entlang seiner gesamten Wertschöpfungskette, mitsamt seinen infrastrukturellen Verflechtungen und seinen internationalen Geschäftsbeziehungen – das ist ein Marathon.

„Wir wollen unserer Verantwortung gerecht werden.“
Fabian Heidinger
Leiter der MAN Nachhaltigkeits- und Dekarbonisierungsstrategie
Viktoria Wendland

bis

2050
Klimaneutralität,
sieht das Pariser Klimaabkommen vor

Eine Branche denkt um

Es ist ein Marathon hinein in eine Wirtschaftswelt, die sich in den vergangenen zwei Jahren radikal verändert und neue Regeln gegeben hat. Nicht nur mit dem konsequenten Richtungswechsel hin zur Elektromobilität, sondern auch mit einer neuen Perspektive auf die eigene Verantwortung. „Corporate Responsibility war bisher ein Inselthema“, blickt Heidinger zurück. „Jetzt steht es im Zentrum unserer Unternehmensstrategie NewMAN und wir entwickeln eine konkrete Nachhaltigkeitsstrategie.“

Diese Prioritäten gelten für MAN, ähnlich aber auch bei den Schwestermarken Scania, Volkswagen Caminhões e Ônibus, Navistar sowie für die TRATON GROUP als Holding. Gemeinsam treiben die Marken der Gruppe den Wandel in Sachen Sustainability weiter voran – und hier kommt die Initiative Science Based Targets ins Spiel, kurz SBTi.

Hinter der SBTi steht eine Kollaboration der Nichtregierungsorganisationen Carbon Disclosure Project, United Nations Global Compact, World Resources Institute und World Wide Fund for Nature (WWF). Die Initiative ist 2015 mit dem Ziel angetreten, wissenschaftlich fundierte Klimaschutzkriterien für Unternehmen zu entwickeln. Das Besondere daran ist die Blickrichtung: Science Based Targets gehen nicht von unternehmerischen Potenzialen aus, sondern von den physikalischen Notwendigkeiten, die das Pariser Klimaabkommen klar umrissen hat. Reduktion der Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990, CO2-Neutralität bis 2050. Ein ambitioniertes Ziel.

Die Validierung macht den Unterschied

Man kann sich die SBTi vorstellen wie einen Marathontrainer. Die Initiative unterstützt Unternehmen dabei, den richtigen Pfad mit den richtigen Maßnahmen und Meilensteinen anzulegen, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Sie validiert die selbstgesetzten Meilensteine, sie begleitet auf dem Weg, sie misst den Erfolg am Ende der Strecke. Seit Gründung der Initiative haben sich mehr als 2.500 Unternehmen angeschlossen, rund 1.200 davon haben sich konkrete Ziele gesetzt.

Ein Unternehmen davon ist MAN Truck & Bus. Die Ende 2021 eingereichten Strategieziele werden bis Ende April 2022 validiert. Die Ziele sind in sogenannte Scopes unterteilt: Unter Scope 1 und 2 werden dabei direkte Emissionen aus werkseigenen Produktionsstätten und indirekte Emissionen der externen Energieproduktion zusammengefasst. Mit einem Emissionsanteil von fast 98 Prozent ist aber Scope 3 für MAN entscheidend: Hier geht es vor allem um die Emissionen, die während der Nutzungsphase der verkauften Fahrzeuge ausgestoßen werden. Ziel ist zunächst eine erhebliche Reduktion des CO2-Ausstoßes bis 2030, der genaue Zielwert wird nach seiner SBTi-Validierung veröffentlicht. Das Portfolio entwickelt MAN schrittweise weiter. Bis 2030 soll die Produktion komplett bilanziell CO2-neutral sein. Geplant sind schwere elektrische Lkw insbesondere auch für den Fernverkehr mit Tagesreichweiten über 600 Kilometern, die ab Anfang 2024 in Serienfertigung gehen sollen, und autonom fahrende Trucks mit bis zu 1.000 Kilometern Reichweite ab 2030.

„Ich bin froh, ein Teil der Lösung zu sein, und nicht Teil des Problems.“
Fabian Heidinger
Leiter der MAN Nachhaltigkeits- und Dekarbonisierungsstrategie

Teil der Lösung sein

Seit zehn Jahren ist Heidinger bei MAN, die Position MAN Sustainable Lead übernahm er im Mai 2021. Beim Einreichen der Ziele konnte er auch von den Erfahrungen der Gruppenschwester Scania profitieren. Die Kollegen aus Schweden sind bereits etwas früher der Initiative beigetreten. „Der Austausch funktioniert gut, wir können uns gegenseitig helfen.“ Im nächsten Schritt kann Heidinger mit seinen Erfahrungen die süd- und US-amerikanischen Kollegen bei Volkswagen Caminhões e Ônibus und Navistar unterstützen. „Ich bin froh, ein Teil der Lösung zu sein, und nicht Teil des Problems“, sagt der zweifache Vater. Und diese Lösung hat einen doppelten Nutzen: Denn Ökologie und Ökonomie sind kein Widerspruch. Das Thema Klimaschutz gewinnt immer mehr an Relevanz, auch bei Kunden im traditionell sehr kostenbewussten B2B-Bereich. So steigt die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen. Diese reduzieren nicht nur CO2-Emissionen, sondern werden zukünftig auch aus Gesamtkostenperspektive attraktiver als Verbrennerfahrzeuge.

Elektrofahrzeugen wie dieser E-Bus von MAN werden zukünftig auch aus Gesamtkostenperspektive attraktiver sein als Verbrennerfahrzeuge.