Viktoria, nach Ihrem Start als Trainee bei Scania 2019 haben Sie Elain gegründet und das Start-up zu dem gemacht, was es heute ist. Sie spielen eine entscheidende Rolle in der Geschäftsentwicklung und haben die Strategie gezielt auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Welche Erfahrungen und Fähigkeiten aus Ihrer Traineezeit helfen Ihnen heute in Ihrer aktuellen Funktion?
Meine Zeit als Trainee, in der ich in verschiedenen Teams im gesamten Unternehmen tätig war, bot mir eine großartige Gelegenheit, Neues zu lernen − und zu verstehen, wie unterschiedliche Perspektiven gemeinsam auf ein Ziel ausgerichtet werden können.
Für Elain begann alles vor drei Jahren in der Scania Innovation Factory – einem Intrapreneurship-Programm, das ins Leben gerufen wurde, um innovative Geschäftsideen zu entwickeln und erfolgreich auf den Markt zu bringen. Der erste Schritt war, die Finanzierung für eine sechsmonatige Projektphase zu sichern. Dieses Projekt mündete schließlich in der Gründung von Elain – einem neuen Unternehmen innerhalb von Scania, das wie ein Start-up agiert. Unsere Aufgabe ist es, Firmen dabei zu unterstützen, Emissionen aus ihren Logistikaktivitäten zu erfassen und zu verfolgen. Damit ermöglichen wir einen datengesteuerten Ansatz zur Dekarbonisierung. Heute gehören neben Scania auch externe Unternehmen wie Mars zu den Kunden von Elain. Wir sind da mittlerweile sehr vielseitig aufgestellt.
Das Scania-Projekt Elain ist also gewissermaßen Ihre Erfindung. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Unternehmen bei der Dekarbonisierung ihrer Logistik zu helfen?
Während meiner Zeit in der Scania-Nachhaltigkeitsabteilung ist die Dekarbonisierung eines der zentralen Themen gewesen. Unser Fokus lag damals schwerpunktmäßig auf den Emissionen unserer Fahrzeuge während der Nutzungsphase. Ich arbeitete an Strategien, um sicherzustellen, dass unsere Elektrofahrzeuge zuverlässig mit grünem Strom versorgt werden.
Doch je tiefer wir in das Thema eintauchten, desto klarer wurde: Es geht um weit mehr als nur die Nachverfolgung von Ökostrom für batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge. Zusammen mit meinem Mitgründer und unserem Team haben wir festgestellt, dass Kunden immer öfter von Transportdienstleistern erwarten, transparente und detaillierte Informationen zu CO₂-Emissionen bereitzustellen. Das Problem dabei? Es fehlte an einer standardisierten Methodik. Jeder Kunde hat unterschiedliche Anforderungen, was zu einem hohen manuellen Aufwand führt. Gleichzeitig fällt es den Nutzern schwer, die Vielzahl an Datensätzen zu kombinieren und effizient zu verarbeiten. Genau dieser Herausforderung stellen wir uns jetzt bei Elain.
Mal ganz ehrlich – wie oft mussten Sie erleben, dass Ihre Idee belächelt wurde? Oder andersherum gefragt: Wie durchsetzungsstark mussten Sie sein, um Ihre Vision in der Realität umzusetzen?
Es ist definitiv eine Herausforderung, ein Start-up innerhalb eines großen Unternehmens wie Scania zu gründen. Die Arbeitsweise im Konzern unterscheidet sich stark von der eines Start-ups, besonders wenn es um Dinge wie Budgets und Prognosen geht. In einem Start-up muss man sehr oft sehr schnell agieren, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen und die Strategie an sich schnell ändernde Bedürfnisse und Entwicklungen anpassen. Das ist für ein Unternehmen wie Scania nicht immer einfach.
Die Lkw-Branche ist noch immer in Teilen männerdominiert – welchen Rat geben Sie Frauen, die dort arbeiten und ebenfalls eine Führungsposition anstreben?
Frauen müssen sich bewusst werden, welchen Wert ihre Arbeit für das Unternehmen hat, und dieses Potenzial müssen sie dann voll ausschöpfen. Dabei ist es wichtig, Selbstvertrauen aufzubauen und aktiv nach Gelegenheiten zu suchen, um eigene Ideen und Konzepte einzubringen. Zudem sollten Frauen keine Angst haben, ihre Stimme zu erheben und ihren Platz im Unternehmen zu beanspruchen. Es kann auch helfen, Netzwerke aufzubauen, Mentoren zu finden und diese Beziehungen zu nutzen, um beruflich weiterzukommen. Meiner Meinung nach muss es immer darum gehen, die besten Talente zu unterstützen – unabhängig davon, ob es sich um Frauen oder Männer handelt.
„Frauen müssen sich bewusst werden, welchen Wert ihre Arbeit für das Unternehmen hat, und dieses Potenzial müssen sie dann voll ausschöpfen. Dabei ist es wichtig, Selbstvertrauen aufzubauen und aktiv nach Gelegenheiten zu suchen, um eigene Ideen und Konzepte einzubringen.“
Viktoria Kindesjö, Co-Founder & Sustainability Lead bei Elain
Als Energie- und Umweltingenieurin haben Sie früher in der Forschung und Entwicklung gearbeitet – nun sind Sie Sustainability Lead und konzentrieren sich mehr auf die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsstrategie. Reizt es Sie nicht manchmal, zurück ins operative Geschäft zu gehen?
Meine derzeitige Rolle umfasst viele verschiedene Funktionen, und was mir besonders daran gefällt, ist die Verbindung zwischen Strategie und Technik. Unser Produkt dreht sich um Daten – insbesondere darum, wie wir Maßnahmen zur Dekarbonisierung wissenschaftlich messen und bewerten können. Als Ingenieurin liegt mir dieser analytische Ansatz sehr am Herzen. Gleichzeitig liebe ich es, die Strategie voranzutreiben und ein Produkt zu entwickeln, das der Welt und dem Planeten hilft.
Welche Werte sind für Sie entscheidend, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern?
Mir gefällt das Konzept der Innovationsfabrik bei Scania, bei der sich jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter mit eigenen Ideen einbringen kann. Es ist wichtig, das Wissen und das kreative Potenzial unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu nutzen, um die Zukunft der Transportwirtschaft aktiv zu gestalten. Es geht darum, das richtige Umfeld zu schaffen, in dem Teams leistungsfähig sind und ihre Fähigkeiten einbringen können. Gleichzeitig müssen wir die Werte, die unser Unternehmen prägen − Teamgeist und Respekt vor der und dem Einzelnen − bewahren.
Mit welcher persönlichen Motivation starten Sie in jeden neuen Arbeitstag?
Was mich wirklich motiviert, ist die Möglichkeit, an etwas zu arbeiten, das sowohl der Gesellschaft als auch dem Planeten hilft. Wenn ich sehe, dass unsere Kunden unsere Daten nutzen, um ihre Dekarbonisierungsprozesse voranzutreiben, weiß ich, dass wir auf einem guten Weg sind. Und natürlich habe ich auch viel Spaß mit meinen Kolleginnen und Kollegen − gemeinsam meistern wir die unterschiedlichen Herausforderungen, die wir tagtäglich erleben.