Ursula Querette, seit Januar 2024 sind Sie für die TRATON GROUP als Leiterin Investor Relations tätig. Zuvor haben Sie unter anderem als Vice President Capital Markets bei TeamViewer und als Head of Treasury & Investor Relations beim führenden Online-Marktplatzanbieter Scout24 gearbeitet. Was verbindet die Arbeit für die Immobilienbranche, die Software-Industrie und jetzt die Nutzfahrzeugbranche miteinander?
Auf den ersten Blick könnten die drei Unternehmen unterschiedlicher nicht sein. TeamViewer und Scout24 sind auf digitalen Marktplätzen aktiv und bieten nicht anfassbare, digitale Produkte und Dienstleistungen an. TRATON wiederum orchestriert die Produktion und den Verkauf von Nutzfahrzeugen seiner Marken, die auf allen Straßen der Welt zu sehen sind. Doch dieser vordergründige Unterschied fußt auf einer Gemeinsamkeit: dem Einsatz von Plattformen. Das TRATON Modular System spielt dabei eine zentrale Rolle. Das System nutzt standardisierte Schnittstellen für alle Marken und ermöglicht dennoch ein hohes Maß an Individualisierung. So können wir erhebliche Skaleneffekte erzielen und genau hier liegt die Vergleichbarkeit zur Software-Plattform TeamViewer und dem Online-Marktplatz Scout24.
Was interessiert einen Analysten oder eine Fondsmanagerin besonders an TRATON?
Aktuell interessieren sich Analysten und Fondsmanager dafür, wie TRATON als Gruppe zusammenwächst. Also wie die vier Marken mit ihren unterschiedlichen kulturellen Hintergründen ihre Prozesse aufeinander abstimmen, zusammenlegen und effizienter gestalten. Zudem geht es darum, wie TRATON die Transformation hin zu einer emissionsarmen Transportbranche vorantreibt. In diesem Zusammenhang wollen die Finanzexperten wissen: Wie werden Emissionen eingespart? Wie funktioniert das genau? Dazu gibt es sehr intensive Gespräche mit unseren Partnern am Finanzmarkt. Denn der Fortschritt der Transformation wirkt unmittelbar auf die Bewertung der TRATON-Aktie und hat damit Einfluss auf das Engagement von Investoren. Beispielsweise interessieren sich die Kapitalanleger dafür, wie es mit unserem Umsatz und Gewinn weitergeht, wenn batterieelektrisch angetriebene Lkw in der Anschaffung etwa doppelt so viel kosten wie Fahrzeuge mit Dieselmotor.
Ihre wichtigste Aufgabe ist es, die Investoren von der Zukunftsfähigkeit der TRATON Way Forward Strategie zu überzeugen. Können Sie erklären, wie Ihnen das mit Ihrem Team gelingt?
Zusätzlich zur Veröffentlichung von Quartalsberichten kommunizieren wir auf unterschiedlichen Wegen mit den Investoren – auf Konferenzen, in Meetings, auf Roadshows, im persönlichen Gespräch. Dort erklären wir, wie die Marken zusammenwachsen. Oder wie wir als Gruppe zur Transformation der Transportindustrie beitragen. Damit unsere Strategie verstanden wird, verknüpfen wir finanzielle Informationen mit überzeugenden und emotional ansprechenden Geschichten. Eine Aufgabe, die künftig immer wichtiger sein wird, denn die Finanzmärkte und ihre Akteure honorieren nicht länger nur reine Finanzgeschichten. Vielmehr geht es jetzt auch darum, von unserer Mission und den Menschen, die diesen Weg beschreiten, zu erzählen: Wie verbessern wir mit zukunftsfähigen Produkten die Welt? Was tun wir, um dieses Ziel zu erreichen? Wir müssen überzeugende Geschichten erzählen.
Welche Talente, welche Qualifikationen und Fähigkeiten braucht es dafür im Investor-Relations-Team?
Schon in der Schule ist mir aufgefallen, dass manche besser in Mathe und andere besser in Deutsch waren. Mein Team muss beides können. Es muss ein Verständnis für Zahlen haben und beispielsweise eine Unternehmensbewertung nachvollziehen. Gleichzeitig müssen die Kolleginnen und Kollegen in der Lage sein, überzeugend zu kommunizieren und Beziehungen aufzubauen. Entweder gibt es im Investor Relations eine Person, die diese Talente in sich vereint – oder aber das Team wird so zusammengestellt, dass die Stärken der einzelnen Teammitglieder optimal gebündelt werden. Hinzu kommt dann noch juristisches Fachwissen: Unsere Teammitglieder müssen die immer komplexer werdenden Börsenregeln und ihre Fallstricke kennen. Das Gleiche gilt auch für Nachhaltigkeitsthemen und die aktuelle Weltpolitik und -wirtschaft.
Sie sind, vereinfacht gesagt, die Außenministerinnen und Außenminister für die TRATON GROUP am Kapitalmarkt. Doch gerade an der Börse entscheidet jedes Detail, kommt jedes Wort und jede Zahl auf die Goldwaage. Das setzt voraus, dass Sie jederzeit bestens über alles informiert sind, was bei den jeweiligen Marken und in den jeweiligen Abteilungen gerade passiert und geplant ist. Wie stellen Sie das sicher?
Unsere erste Anlaufstelle ist die Controlling-Abteilung. Dort gibt es die komprimierten Informationen zur Geschäftsentwicklung bei TRATON und den Marken. Diese Zahlen werden durch monatliche Updates und Analysen ergänzt. Um einen persönlichen Eindruck von den aktuellen und künftigen Aktivitäten zu bekommen, tauschen wir uns direkt mit den Marken aus. Dazu reden wir mit den Fachabteilungen bei Scania, MAN, Navistar und VW Truck & Bus und den Kolleginnen und Kollegen aus der Kommunikation. Wir wollen aus erster Hand wissen, was die Kunden nachfragen und wie die Produktion läuft, welche Events anstehen, welche Themen von den Medien nachgefragt werden. Diese Informationen sind eine sehr gute Grundlage für die Gespräche und den Austausch mit den Investoren.
„TRATON ist mit seinen Marken der zweitgrößte Lkw-Hersteller der Welt – und diese Marktposition erlaubt es, wirklich etwas zu bewegen. Etwa bei der massiven Verringerung von CO₂-Emissionen mithilfe batterieelektrisch angetriebener Nutzfahrzeuge.“
Ursula Querette, Head of Investor Relations
Welche Bedeutung hat es für Sie, Teil von etwas wirklich Großem – der TRATON GROUP und ihren Marken – zu sein?
TRATON ist mit seinen Marken der zweitgrößte Lkw-Hersteller der Welt – und diese Marktposition erlaubt es, wirklich etwas zu bewegen. Etwa bei der massiven Verringerung von CO2-Emissionen mithilfe batterieelektrisch angetriebener Nutzfahrzeuge. Vielleicht klingt das ein bisschen hochgegriffen, aber mein Team und ich fühlen uns als Teil von TRATON mit dafür verantwortlich, die Transformation in der Transportbranche voranzutreiben und so einen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel zu leisten.
Ähnlich wie die IT-Branche ist die Lkw-Branche traditionell männerdominiert. Welchen Rat geben Sie Frauen, die in einem ähnlichen Bereich arbeiten und eine Führungsposition anstreben?
Da fehlt noch ein dritter Wirtschaftszweig – das Investmentbanking. Als ich 1996 in dieser Branche angefangen habe, war ich in vielen Meetings oft die einzige Frau. Die Kunden dachten dann oft, ich bin die Sekretärin und für die Getränke zuständig ... Aber egal, ob Mann oder Frau – wer in einer Führungsposition tätig ist, muss hart arbeiten und zuhören können. Vor allem aber geht es darum, bereit zu sein, ständig neue Dinge zu lernen und das Team zu motivieren und mitzunehmen. Dazu gehört auch, dass wir neue Dinge einfach mal ausprobieren und uns neuen Herausforderungen ohne Furcht und Scheuklappen stellen müssen.
Was treibt Sie an?
Wenn ich morgens ins Büro komme, weiß ich in der Regel nicht, was im Laufe des Tages passieren wird. Die Vorfreude auf immer wieder neue und spannende Themen treibt mich an. Ich freue mich auf den Austausch und die Diskussionen mit den Kolleginnen und Kollegen. Etwa, dass bestimmte Dinge auch mal anders gemacht werden müssen oder dass neue ungewöhnliche Ideen nötig sind, um die aktuelle Transformation aktiv zu gestalten.