Nadine, seit 2005 bist du für MAN Truck & Bus im Einsatz – du hast unter anderem als Einkäuferin und als Produkt- und Projektmanagerin gearbeitet und bist jetzt als Head of Engineering Strategy & Steering verantwortlich für sämtliche funktional-strategischen Themenfelder innerhalb des Engineerings. Ist eine solch facettenreiche Karriere die Grundvoraussetzung dafür, aktiv die Zukunft von MAN und der TRATON GROUP gestalten zu können?

Viele Ingenieurinnen und Ingenieure suchen ausschließlich nach Aufgaben in der Entwicklung. Mich hat es auch in andere Unternehmensbereiche gezogen. Mit meinen unterschiedlichen Einsatzgebieten stelle ich eher eine Ausnahme dar. Durch diese vielschichtigen Erfahrungen bin ich in der Lage, Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Zudem verfüge ich aufgrund meiner unterschiedlichen Aufgaben in der Vergangenheit über ein breites Wissen über das Unternehmen und über ein weitverzweigtes, gutes Netzwerk. Das hilft mir, mich mit Kollegen auszutauschen und zusätzlich zu meiner eigenen Sichtweise andere Perspektiven einzuholen. Während meiner verschiedenen Stationen habe ich immer wieder unterschiedliche Formen der Veränderung erlebt – und erfahren, wie wichtig die Kommunikation mit und zwischen den Mitarbeitenden und dem Leadership-Team/Leitungsteam bei einer Transformation ist.

Zu deinen zentralen Aufgaben zählt neben der Entwicklung der funktionalen Strategie des MAN Engineerings auch, die R&D-Transformation, die Produktkostenoptimierung (PKO) und das Benchmarking voranzutreiben. Wie schaffen dein Team und du das alles? Und welche Qualifikationen und Fähigkeiten braucht es dafür?

Unser Team besteht aus hochmotivierten und hochqualifizierten Frauen und Männern mit unterschiedlichen akademischen und beruflichen Werdegängen, die bei der Transformation den Überblick behalten, viele Prozesse anstoßen und dabei unserem Unternehmen und der TRATON GROUP eine noch bessere und zukunftsfähige Struktur geben. Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die Veränderungskompetenz, Veränderungsbereitschaft und viel Verständnis für andere Sichtweisen erfordert. Deshalb ist es wichtig, dass die Mitglieder meines Teams vor allem gute Zuhörer sind; sie müssen empathisch sein und über eine gute Menschenkenntnis verfügen. Nicht zu vergessen – wir müssen bei unserer Arbeit spontan und flexibel sein. Neben der Betreuung unseres inhaltlichen Themenschwerpunkts sind wir gleichzeitig Mediatoren, Coaches und Motivationstrainer.

Und wie gelingt euch das Tag für Tag im Zusammenspiel mit den drei anderen Marken der TRATON GROUP?

Auch dabei dreht sich sehr viel um den Faktor Mensch. Vertrauen kann ich nicht einfordern, Vertrauen muss wachsen. Das geschieht durch Kommunikation und Transparenz sowie einen offenen und konstruktiven Austausch. Natürlich kann da auch mal heftig diskutiert werden – aber immer nur in der Sache, nie persönlich. Es geht darum, gemeinsam nach der besten Lösung und einem guten Kompromiss zu suchen. Um das zu erreichen, braucht es Durchhaltevermögen und den Willen zur Veränderung. Außerdem ist es wichtig, gemeinsame Ziele zu haben.

Also geht es vor allem darum, Kompromisse zu finden?

Richtig! Kompromisse auf Augenhöhe sind dabei ganz entscheidend. Sie schaffen das Vertrauen, das für die Umsetzung einer solchen Aufgabe nötig ist. Und wenn das Vertrauen erst einmal da ist, besteht ein belastbares Fundament für weitere Aufgaben und neue Formen der Kooperation.

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Ein Blick in die Produktionshalle von MAN Truck & Bus in München, wo modernste Technologien und innovative Prozesse die Zukunft des Transports gestalten.

Als Head of Engineering Strategy & Steering hast du vor allem die strategische Ausrichtung von MAN im Blick – juckt es dir als Maschinenbauingenieurin nicht manchmal in den Fingern, zurück in die Werkshallen zu gehen?

Klar. Beim Thema Kostenoptimierung kann ich immer noch produktbezogen arbeiten. Und ich verhehle nicht, dass unsere Produkte meine Begeisterung wecken. Das ist auch der Grund, warum ich mich für die Nutzfahrzeugbranche entschieden habe. Weil Lkw und Busse begeistern. Aber auch die strategischen Aufgaben sind extrem spannend und bringen jeden Tag neue Erfahrungen mit sich.
 

Nadine Müller R&D
Nadine Müller, Leiterin Engineering Strategy & Steering bei MAN Truck & Bus, spricht im Rahmen des Forums "Women in R&D" über ihre Erfahrungen bei der Transformation der Transportbranche.

Welche Fähigkeiten, Werte oder Eigenschaften sind entscheidend, um die Herausforderungen der Zukunft in der Transportbranche zu meistern?

Auf jeden Fall gehört Veränderungsbereitschaft dazu. Alles wird schnelllebiger, internationaler, globaler, diverser. Wenn ich vor diesem Hintergrund keinen guten Umgang mit Veränderungen für mich und meine Ziele habe, wird es äußerst hart. Deshalb ist es für mich sehr wichtig, neugierig auf Veränderungen zu regieren und nicht mit Angst. Zudem ist Teamarbeit ein entscheidender Faktor: Wenn jemand allein ist – und da kann er oder sie noch so schlau sein –, lässt sich kaum etwas bewegen und vorantreiben. Nur wenn die entsprechenden Leute im Hintergrund mitmachen und die Aufgabe auf viele Schultern verteilt wird, können Veränderungen erfolgreich umgesetzt werden. Gerade weil die Dinge schnelllebiger werden, muss das Ziel klar definiert werden. Dazu gehört auch eine gesunde Fehlerkultur. Es gilt, Fehler als Chance zu sehen, etwas zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen.

Welche Bedeutung hat es für dich, Teil von etwas Größerem – der Transformation der gesamten TRATON GROUP – zu sein?

Mir ist bewusst, dass ich mit meiner Arbeit, meinem Input und meinen Ideen die künftige tägliche Arbeit von Tausenden Kolleginnen und Kollegen beeinflusse und somit auch langfristig für den Erfolg oder Misserfolg der TRATON GROUP verantwortlich bin. Das ist eine ziemlich große Verantwortung. Als Teil dieser Gemeinschaft habe ich die einmalige Chance, an der Zukunft der Transportwirtschaft mitzuarbeiten.

Was treibt dich tagtäglich an, dein Bestes zu geben?

Es ist der Spaß an der Lösung komplizierter Fragestellungen, der meinen starken Willen prägt. Als Ingenieurin sage ich immer: Geht nicht, gibt‘s nicht. Und dieses Motto lässt sich auf nahezu alle Problemstellungen anwenden.