Livia, Sie sind seit 2004 bei Volkswagen Truck & Bus beschäftigt, wo Sie einst als Trainee starteten. Seitdem haben Sie in verschiedenen Positionen gearbeitet, unter anderem als Strategieplanerin für die Bus-Produktlinie und als Produktplanerin für die schwere Lkw-Baureihe Meteor. Inwieweit bildet diese wechselvolle und vielseitige Karriere die Grundlage für Ihre neue Rolle als Vice President of People & Culture and Sustainability?
Ich bin der festen Überzeugung, dass es wichtig ist, ein umfassendes Wissen über die Transportbranche sowie über die TRATON GROUP und die VWTB zu haben. Dafür gibt es nichts Besseres, als Erfahrungen in sehr unterschiedlichen Bereichen zu sammeln. Es geht darum, die Konzernstrategie mit den technischen, finanziellen und kommerziellen Aspekten zu verbinden und –was für mich am wichtigsten ist – die Menschen dabei sehr gut kennenzulernen und auf diese Weise ein gutes Verständnis für ihre Bedürfnisse und Perspektiven zu entwickeln. Damit sind nicht nur die internen Kollegen gemeint, sondern auch unsere Stakeholder, unsere Partner und unsere Kunden. Aus meiner Sicht ist dies der Schlüsselfaktor für den Erfolg als Führungskraft.
Ich bin sehr dankbar, dass ich im Laufe der Jahre wertvolle Erfahrungen in Bereichen und Projekten sammeln konnte, die so vielfältig sind wie unser Geschäftsumfeld; wo die Menschen und die Teamarbeit als größtes Kapital und wichtigster Wert für weiteres Wachstum geschätzt werden.
Im Verlauf meiner Karriere habe ich mit unterschiedlichen Menschen auf allen Hierarchieebenen zusammenarbeiten dürfen – und dabei viel Wissen gesammelt. Dies war ein entscheidender Beitrag zu meiner derzeitigen Rolle und Verantwortung. Ich arbeite mit meinem Team daran, die geschäftlichen und technischen Ziele aus der Perspektive von People & Culture and Sustainability zu sehen. Wir ergänzen uns dabei gegenseitig. Die Vielfalt der Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund ist ein großer Vorteil, um die anstehenden Veränderungen voranzutreiben.
Haben Sie besondere persönliche Erfahrungen etwa während einer Zeit im Ausland gemacht, die Sie besonders geprägt haben oder Ihnen geholfen haben, dorthin zu gelangen, wo Sie jetzt sind?
Auf jeden Fall! Ich schätze die Möglichkeiten sehr, die sich mir auf meinem Karrierepfad gerade bei internationalen Projekten geboten haben. Das hat mich geprägt und mir in meiner beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung sehr geholfen. Meine erste internationale Erfahrung habe ich 2011 gemacht: Ich lebte in München und arbeitete sechs Monate lang mit MAN-Kollegen an der Vorentwicklung unseres neuen Projekts für leichte Lkw. Danach, ab 2014, habe ich sehr wertvolle Erfahrungen machen dürfen, als ich mit Partnern aus den TRATON-Marken an Kooperationsprojekten zu Bus- und Lkw-Plattformen arbeitete. Ich habe andere Kulturen erlebt und vor allem das gemeinsame Lernen. Weit über das große berufliche Netzwerk hinaus haben wir dauerhafte Beziehungen aufgebaut, die vor allem auf Respekt und Vertrauen beruhen.
Momentan fühle ich mich sehr glücklich und geehrt, Mitglied des TRATON-CHRO (Chief Human Resources Officer)-Teams zu sein, mit ganz besonderen Kollegen und Menschen von TRATON, Scania, MAN und Navistar. Wir pflegen eine großartige Partnerschaft undhaben gemeinsam eine vielversprechende und schöne Reise begonnen.
Die Lkw-Branche ist traditionell männerdominiert. Welchen Rat würden Sie Frauen geben, die in Ihrem Bereich arbeiten und eines Tages Vorstandsmitglied werden möchten?
Zunächst einmal ist es wichtig, jeden Tag sein Bestes zu geben, mit Ausdauer und Resilienz hart zu arbeiten und gute Beziehungen aufzubauen. Aus meiner Sicht ist es wirklich essenziell, fest an sich selbst zu glauben, seine Selbsterkenntnis zu trainieren und auf die Chancen, die sich einem bieten, vorbereitet zu sein, um die besten Aussichten auf Erfolg zu haben.
Können Sie uns etwas über Programme bei VWTB berichten, die junge, talentierte Frauen fördern? Wie könnten diese Konzepte skaliert oder auf die gesamte TRATON GROUP übertragen werden?
Die Personalentwicklung hatte bei VWTB und TRATON schon immer höchste Priorität, sowohl was die Hard als auch die Soft Skills betrifft. Im Laufe der Jahre haben wir wichtige Initiativen mit einem Schwerpunkt auf Bildung umgesetzt. Bei TRATON gibt es eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Marken, die sich auf die Themen Personalentwicklung, Kompetenzen und Lernen konzentriert, um unseren Kollegen Lernmöglichkeiten zu bieten. Dazu gehören zum Beispiel das jährliche globale Traineeprogramm und die Programme für Führungskräfte. Daran habe ich selbst sowohl als Studentin als auch zuletzt als Mentorin teilgenommen. Wir arbeiten mit exzellenten Partnern aus dem Bildungsbereich und renommierten Institutionen zusammen.
Und ich bin stolz darauf, eine sehr wichtige Initiative vorstellen zu können, an der wir bei der VWTB in den vergangenen Monaten gearbeitet und die wir kürzlich ins Leben gerufen haben: die VWTB-Academy. Dahinter verbirgt sich ein Lern-Ökosystem für alle VWTB-Mitarbeiter – mit dem Ziel, qualitativ hochwertige Bildungsinhalte und Lernmöglichkeiten zu bieten, um unsere Mitarbeiter in neuen Kompetenzfeldern mit hoher Relevanz für unser Geschäft weiterzuentwickeln und auch das Wissen der Gesamtorganisation durch einen aktiven und kontinuierlichen Lernprozess zu sichern.
Der Fachkräftemangel ist eine globale Herausforderung. In diesem Zusammenhang haben wir intensiv an der Analyse der notwendigen neuen Kompetenzen gearbeitet sowie an den erforderlichen Lernmöglichkeiten einschließlich innovativer Technologien. Es geht im Kern darum, unsere Mitarbeiter weiterzuentwickeln und sie in die Lage zu versetzen, die Transformationen in unserem Geschäftsumfeld – von der Elektrifizierung über die Digitalisierung bis hin zur Software-entwicklung – mutig und aktiv anzugehen. Das ist entscheidend, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Ich glaube fest daran, dass die wichtigsten Entwicklungsmöglichkeiten für alle Mitarbeiter in unserem Unternehmen, sowohl für Männer als auch für Frauen, in unserem Kern, also im Tagesgeschäft, liegen. Entscheidend ist, dass die Führungskräfte ihre Teams aktiv im Wandel unterstützen, sie ermutigen, sie vorbereiten und zu neuen Herausforderungen befähigen. Dies ist der Schlüsselfaktor für unseren Erfolg und eine zentrale Stellschraube, um sicherzustellen, dass alle Menschen ihre Fähigkeiten auch entwickeln können. Unser Ziel ab 2023 ist es, diese Initiativen zu stärken und vor allem unser Portfolio an Bildungsprogrammen zu erweitern und eine noch größere Anzahl von Menschen auf allen Hierarchieebenen zu erreichen.
VWTB hat bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen große Fortschritte erzielt. Können Sie uns einige der Herausforderungen und Durchbrüche schildern, die das Unternehmen bei der Umstellung auf sauberere und nachhaltigere Transportlösungen erlebt hat?
Bei VWTB haben wir das vergangene Jahr damit verbracht, unser Portfolio zu erneuern, um sicherzustellen, dass es ab Januar 2023 die Euro VI-Norm erfüllt. Das war ein Schlüsselprojekt: Unsere Investitionen orientierten sich an den neuesten Entwicklungen und bezogen alle Bereiche unserer Organisation mit ein, um möglichst viel positiven Nutzen für die Umwelt zu erzielen.
Parallel dazu haben wir an unserem ersten Elektrofahrzeug gearbeitet, dem e-Delivery Truck. Er kam Mitte 2021 auf den Markt. Das war nicht nur für VWTB ein wichtiger Meilenstein, sondern auch für TRATON, denn dieses Fahrzeug wurde zu 100 Prozent in Brasilien entwickelt und produziert, mit brasilianischen Ingenieuren, in brasilianischen Produktionsstätten. Wir haben zudem mit lokalen und internationalen Partnern an Ladestrukturlösungen und vernetzten Diensten gearbeitet, wobei der Schwerpunkt auf dem Lebenszyklus des Fahrzeugs lag. Dies war ein außergewöhnliches Projekt für alle beteiligten Mitarbeiter unserer Organisation – von der Forschung und Entwicklung bis zur Produktion.
Wie arbeiten Sie als Vorstandsmitglied mit anderen Stakeholdern zusammen, wenn es darum geht, Nachhaltigkeitsinitiativen mit den langfristigen Visionen und Zielen des Unternehmens in Einklang zu bringen?
Um unsere Unternehmensstrategie und -führung langfristig zu verbessern, genießt das Thema Nachhaltigkeit absolut höchste Priorität. Dabei konzentrieren wir uns nicht allein auf Dekarbonisierung und die Kreislaufwirtschaft, sondern betrachten auch die Bereiche Ethik, Menschenrechte, soziale Verantwortung, Vielfalt und Integration.
Bei VWTB haben wir gemeinsam an einer Nachhaltigkeitsstrategie und an Dekarbonisierungszielen für alle Bereiche unserer Organisation gearbeitet. Dabei konnten wir uns jederzeit auf die großartige Partnerschaft mit und Unterstützung durch TRATON verlassen. Dieses Jahr haben wir unseren ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, mit dem wir unser Engagement für die Gesellschaft als verantwortungsbewusstes Unternehmen und unser Engagement für ESG-Themen unter Beweis stellen. Der Bericht zeigt unser starkes Erbe mit Blick auf unsere soziale und unternehmerische Verantwortung und unsere Umweltziele sowie die Bedeutung von Governance und Ethik für unsere Geschäftstätigkeit.
Welche spezifischen Strategien verfolgt die VWTB, um Diversität und Inklusion im Unternehmen zu verbessern? Und welche Ergebnisse hat das bisher gebracht?
Diversität und Inklusion hatte bei VWTB bereits Priorität, bevor sie Teil eines offiziellen konzernweiten strategischen Ansatzes wurden. Wir streben Vielfalt in allen Bereichen an und haben deshalb in den vergangenen Jahren gezielte Programme zur Förderung dieser Vielfalt eingeführt, wie zum Beispiel die Einrichtung von Affinitätsgruppen und spezielle Angebote für Menschen mit Behinderungen. Dies hat uns die Möglichkeit eröffnet, mit vielen großartigen Menschen zusammenzuarbeiten. Sie bekamen ihrerseits die Chance, ihre Karrieren aufzubauen sowie ihr eigenes Leben und das ihrer Familien nachhaltig zu verändern.
Wir haben darüber hinaus klare Ziele im Hinblick auf Frauen bei VWTB entwickelt. Wir wollen ihre Präsenz in allen Bereichen unserer Organisation und besonders in Führungspositionen weiter erhöhen. Meine Vorstandskollegen und ich fragen uns permanent, wie wir Frauen in unserem Unternehmen noch besser und gezielter fördern können und ihnen so Möglichkeiten zum Aufstieg verschaffen. Es gibt hier zwar noch viel zu tun. Doch ich bin stolz darauf, wie wir uns bereits entwickelt haben, seit ich 2004 als Ingenieurstudentin hier angefangen habe. Zu Beginn meiner Karriere war ich die einzige Frau in meinem Team.
In den vergangenen Jahren hat die Bedeutung des Employer Brandings massiv zugenommen. Wie positioniert sich VWTB als bevorzugter Arbeitgeber, gerade auf dem umkämpften südamerikanischen Markt für Talente?
Bei VWTB steht das Wohl der Mitarbeiter an allererster Stelle. Im Laufe der Jahre sind wir in diesem Bereich immer besser geworden. Auch und gerade, weil sich unser Top-Management wirklich für die Mitarbeiter einsetzt. Wir haben nicht nur für die VWTB-Mitarbeiter selbst, sondern auch für ihre Familien und die Gemeinden in unserer Nähe zahlreiche positive Initiativen entwickelt und umgesetzt.
Das Klima im Unternehmen ist gut und beruht vor allem auf täglicher Wertschätzung. Es geht darum, genau hinzuschauen und zu erfahren, was wirklich wichtig ist für die Kollegen.
Eine unserer wichtigsten Erfahrungen ist es, die Familien miteinzubeziehen: Wir öffnen regelmäßig die Türen und Tore von VWTB, um die Familienmitglieder unserer Mitarbeiter willkommen zu heißen. Große Relevanz genießen auch Veranstaltungen, auf denen wir besonderes Engagement und Best Practices im Unternehmen öffentlich auszeichnen und somit wertschätzen.
Wir haben zudem einige sehr erfolgreiche Kampagnen zum Thema psychische Gesundheit und Burnout-Prävention umgesetzt. Das trägt dazu bei, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit in unserem Unternehmen und in unserer Gesellschaft zu schaffen. Unsere Kollegen sind wirklich stolz und motiviert, die lokale Gemeinschaft zu unterstützen. Wir haben mehrere Freiwilligeninitiativen im Angebot. Das macht einen Unterschied und schweißt uns zusammen. Wir sind auf diese Weise eine große Familie geworden. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir als das beste Unternehmen im Bundesstaat Rio de Janeiro gelten und zu den sieben besten Unternehmen in gesamt Brasilien zählen.