Welchen Unterschied macht der Antrieb bei der Emissionsbilanz? Um die Antwort zu finden, hat Scania in einer Studie die Lebenszyklen von 30-Tonnen-Lkw untersucht. Das spektakuläre Ergebnis: Batterieelektrische Fahrzeuge können über 90 Prozent des CO2-Ausstoßes eines vergleichbaren Diesels einsparen.
Am Anfang hat jedes Elektrofahrzeug einen Rucksack voller Schuld an Bord, der schwer wiegt. Es geht um CO2-Schuld, und die entsteht vor allem durch die Produktion des Akkus: Dabei werden vergleichsweise viele Emissionen freigesetzt. Deshalb beginnt nach der Produktionsphase der Lebenszyklus jedes neuen Elektrofahrzeugs – sei es Pkw oder Truck – in Sachen CO2-Bilanz mit einem deutlichen Nachteil gegenüber einem vergleichbaren Diesel oder Benziner.
So begann auch der Vergleich in einer aktuellen Studie namens Battery electric vs. diesel driven von Scania: Die Emissionen im gesamten Lebenszyklus zweier Fahrzeuge wurden nach einer ISO-standardisierten Methode erhoben, dem sogenannten Life Cycle Assesment, und miteinander verglichen. Das eine Fahrzeug war ein batterieelektrisches Verteilerfahrzeug mit einer Nutzlast von 30 Tonnen, das andere war ein vergleichbares Verteilerfahrzeug mit Dieselmotor.
Überraschend eindeutig
„Wie jedes Elektrofahrzeug startete auch unser Elektro-Lkw mit einer schlechteren Emissionsbilanz aus der Produktion, vor allem wegen des Akkus,“ erklärt Andreas Follér, Head of Sustainability bei Scania und dort verantwortlich für die Studie. „Aber sobald die Fahrzeuge in Betrieb gehen, holt der E-Lkw in der Bilanz auf.“ Das liegt natürlich vor allem daran, dass die Stromladungen deutlich emissionsärmer sind als Tankfüllungen mit Diesel oder Benzin. Irgendwann, nach einer gewissen Strecke, kommt dann der Break-Even: der Zeitpunkt, ab dem das Elektroauto insgesamt weniger Emissionen verursacht. „Für den Vergleich ist es entscheidend, wann dieser wesentliche Moment erreicht wird“, sagt Follér. Grundsätzlich gilt: Je früher, desto besser. Denn ab diesem Punkt wird mit jeder weiteren, gefahrenen Minute das Elektroauto im Vergleich zum Verbrenner emissionsärmer.
Bei Lkw wurden solche Vergleiche bislang kaum gemacht. „Deshalb hat das Erscheinen unserer Studie in der Fachwelt, in den Medien und auch in unserem Unternehmen einige Beachtung gefunden“, sagt Follér. Das lag auch am Ergebnis. Denn dieses fiel überraschend eindeutig für den Elektro-Lkw aus: Mit Strom aus dem im Jahr 2016 üblichen Mix an Energiequellen, in dem fossile Energieträger noch deutlich vorne lagen, wird der Break-Even schon nach 68.000 Kilometern erreicht. Bei einer angenommenen Betriebsdauer für ein solches Fahrzeug von 500.000 Kilometern emittiert der E-Lkw 38 Prozent weniger Treibhausgase als sein Diesel-Pendant. Und das ist nur das Ergebnis der vorsichtigsten Rechnung der Studie, bei der die Autoren die ungünstigsten Bedingungen für den E-Lkw angenommen haben. „Bereits heute ist der Anteil erneuerbarer Energien deutlich höher als im Energiemix von 2016, den wir als Grundlage für die Berechnung genommen haben, und er wird erheblich weiter ansteigen“, hält Follér fest.
Einsparungen in der Produktion
Entsprechend verbessert sich die Bilanz des E-Trucks: Nimmt man den in der EU für das Jahr 2030 prognostizierten Energiemix, der einen wesentlich höheren Grünstromanteil hat, dann emittiert der batterieelektrische Lkw schon 63 Prozent weniger Treibhausgase als der dieselbetriebene. Rechnet man mit einer Betankung mit 100 Prozent nachhaltigem Strom, läge die Einsparung sogar bei 86 Prozent – und der Break-Even würde bereits nach 33.000 Kilometern erreicht. So viel fährt ein Lkw heute in wenigen Monaten.
Auch bei den Emissionen durch die Produktion der Batterie sind die Macher der Studie von der durchschnittlichen Bilanz heute ausgegangen. „Wir arbeiten aber bereits eng mit dem schwedischen Unternehmen Northvolt zusammen, deren Fokus liegt auf Nachhaltigkeit bei der Produktion von Batterien“, sagt Follér. Zusätzlich stimme man mit Northvolt bereits die Lieferketten aufeinander ab, um weitere Emissionen einzusparen. „Wir verhandeln auch mit Stahlherstellern, um dekarbonisierten Stahl für unsere Fahrzeuge zu verwenden,“ ergänzt Follér. „Das verbessert die Energiebilanz weiter.“
„Sobald die Fahrzeuge in Betrieb gehen, holt der E-Lkw in der Bilanz auf.“Andreas Follér
Head of Sustainability bei Scania
Konservative Modellrechnung
Ein weiterer Faktor, der die Bilanz zusätzlich verbessern dürfte ist das Recycling der Batterien. Die Modellrechnung der Studie geht noch davon aus, dass die Batterie nach 500.000 Kilometern entsorgt wird. Doch mit der zunehmenden Ausbreitung der Elektromobilität gibt es heute fast im Wochentakt neue Ideen und Entwicklungen für das Recycling solcher Batterien. Follér geht davon aus, dass Batterien in Zukunft auch nach ihrer Zeit im Lkw weitergenutzt werden können.
Neben CO2 verursachen Lkw auch weitere Emissionen, darunter etwa Ozon, Feinstaub und Substanzen, die zu einer Versauerung des Bodens führen. Diese Abgase berücksichtigt die Studie nicht. „All diese Abgase gibt es bei einem E-Lkw praktisch nicht“, sagt Follér. Er ist überzeugt: „Wenn wir auch nur einen Teil der genannten Verbesserungen erreichen, dann emittiert ein batterieelektrischer Truck mindestens 90 Prozent weniger Treibhausgase als ein Diesel-Lkw.“ Für das Klima ist das ein sehr bemerkenswertes Einsparpotenzial.
CO2 sparen zahlt sich aus
Doch was ist mit den Kosten? Bedeutet die Verwendung von dekarbonisiertem Stahl, dass die Fahrzeuge nur mit einem Preisaufschlag zu verkaufen sind? Und welcher Kunde würde tatsächlich seine Flotte mit 100 Prozent Ökostrom betanken? Follér meint: „Nutzfahrzeuge mit einer hervorragenden Emissionsbilanz werden vielleicht etwas teurer werden, aber nicht viel. Und das Betanken mit 100 Prozent Ökostrom kostet wohl auch etwas mehr.“ Aber alles deute darauf hin, dass CO2-Emissionen künftig immer teurer werden, nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Regulierungsmaßnahmen. Das Einsparen von CO2 könnte sich also auszahlen.
Das gilt nicht nur für die Kunden, die davon im Betrieb der Fahrzeuge profitierten – sondern auch für die Hersteller. Auch deshalb setzt Scania für die Zukunft auf batterieelektrische Antriebe bei seinen Fahrzeugen. „Wir arbeiten gerade daran, unsere E-Lkw an die Anforderungen im Alltag anzupassen“, sagt Follér. So soll etwa ein Großteil des Aufladens in 45 Minuten möglich sein – das ist die gesetzlich vorgeschriebene, regelmäßig einzuhaltende Pausenzeit für Fahrer. Und natürlich werde auch mit Hochdruck an der Reichweite der Batterien geforscht – hier hat Scania mit Northvolt einen der Marktführer mit an Bord. Bis die Elektromobilität bei Lkw zum neuen Standard wird, ist noch ein gewisser Weg zu gehen und viele Entwicklungen sind weiter voranzutreiben. Aber dass man mit Strom als Ersatz für Benzin und Diesel die richtige Richtung eingeschlagen hat, das kristallisiert sich zunehmend heraus. Auch dank der neuen Studie von Scania.