Für die Logistik im Volkswagen Konzern entwickelt RIO, die Digitalmarke der TRATON GROUP, eine cloudbasierte Plattformlösung. Deren Ziel: Durch mehr Transparenz in der Lieferkette sollen Transporte effizienter und kostengünstiger realisiert werden. Das Einsparpotenzial ist erheblich.

Text: Mathias Heerwagen

Täglich rund 25.000 Transporte quer durch Europa – und dabei mehr als 250 Speditionen koordinieren: Eine wahre Mammutaufgabe ist, was die Volkswagen Konzernlogistik für die zwölf Marken der Volkswagen Gruppe leistet. Sie versorgt die Produktion in den europäischen Werken mit Bauteilen per Bahn- und Straßentransport, steuert die interkontinentalen See- und Luftfrachtnetzwerke und transportiert die Neufahrzeuge in die Absatzmärkte weltweit. Um dabei noch mehr Transparenz, Effizienz und Zuverlässigkeit zu erreichen, entwickelt die TRATON GROUP mit ihrer Marke RIO derzeit eine neue, cloudbasierte Logistikplattform für die Konzernkollegen. Als Anbieter von innovativen digitalen Services – unabhängig von der Lkw-Marke – hat RIO bereits ein tiefes Verständnis für das Logistikgeschäft und den Mehrwert einer smarten Vernetzung. Nun baut RIO die digitalen Brücken, die Lieferanten, Speditionen und Auftraggeber verbinden.

In der Automobillogistik ist größtmögliche Transparenz in der Transportkette von hoher Bedeutung. Denn es gilt, Störungen im Betriebsablauf unbedingt zu vermeiden. „Eine konstante Produktion ist enorm wichtig bei Volkswagen. Um das zu gewährleisten, muss beispielsweise jederzeit bekannt sein, welche Teile im Lager und welche im Zulauf sind“, erklärt Karsten Kampowsky, Leiter Produktmanagement bei RIO. Dank Telematik-Technologie, die stetig Daten zum Status des Fahrzeugs und der Ladung an die neue Software sendet, weiß jeder Beteiligte in der Logistikkette zu jeder Zeit, wo sich die Ladung befindet. Experten bezeichnen diesen Datenschatz auch als „digitalen Zwilling“ des Lkw. Er ermöglicht die lückenlose Verfolgung einer Sendung, auch wenn Subunternehmen eingesetzt werden. „Durch frühzeitigen Informationsfluss können Disponenten Rückfrachten besser planen, Leerfahrten vermeiden und die Auslastung erhöhen“, berichtet Kampowsky. „Das ist ein echter Mehrwert.“

Karsten Kampowsky

Karsten Kampowsky, Leiter Produktmanagement bei RIO, legt Wert auf Transparenz entlang der gesamten Transportkette.

„Mit der Digital-Abteilung der Volkswagen Konzernlogistik bilden wir ein sehr gutes Team.“
Karsten Kampowsky
Leiter Produktmanagement bei RIO

Durch den Einsatz der neuen RIO Logistikplattform verspricht sich Volkswagen Einsparungen in Millionenhöhe. Damit die umfassende Digitalisierung gelingt, braucht es eine leistungsfähige, cloudbasierte IT im Hintergrund. Der Vorteil liegt auf der Hand: Egal, ob 100 oder 100.000 Lkw ihre Trackingdaten liefern – die zugrundeliegende Struktur der Cloud bietet praktisch unbegrenzte Möglichkeiten hinsichtlich Leistung und Speichervermögen. Diese zusätzliche Flexibilität ermöglicht es den Konzernlogistikern, künftig schneller auf sich ändernde Anforderungen zu reagieren. Sei es, weil neue Lieferanten oder Speditionen hinzukommen, sei es, weil Lieferketten sich ändern.

Agile Methoden führen zum Erfolg

Mehrere Entwicklungsteams von Volkswagen und RIO arbeiten nun mit agilen Methoden wie Scrum daran, die bestehenden Systeme der Konzernlogistik mit der Cloud zu verbinden und die Digitalisierung voranzutreiben. Gleichzeitig gilt es, die besonders hohen Anforderungen an die IT-Sicherheit zu erfüllen. „Mit der Digital-Abteilung der Volkswagen Konzernlogistik bilden wir ein sehr gutes Team“, berichtet Kampowsky. „Während der Entwicklung ist dabei auf beiden Seiten die Erkenntnis gereift, dass man nur mit agilen Arbeitsweisen Fortschritte erzielt.“ Um die positiven Effekte schnell nutzen zu können, sei vor allem eines wichtig, so Kampowsky: „Wir wollen nicht ganze Systemlandschaften nachbauen, sondern punktuell und effektiv den Hebel ansetzen.“

25.000
Transporte koordiniert und organisiert die Volkswagen Konzernlogistik europaweit jeden Tag, um die Produktionen der zwölf Marken zu versorgen und Neufahrzeuge auszuliefern.

Von der Transformation profitieren beide Seiten: Volkswagen nutzt ein vernetztes, effizientes Logistiksystem, RIO stärkt durch die Verbindung von Auftraggeber und Auftragnehmer sein Kerngeschäft. „Wir bieten den beteiligten Speditionen unsere digitalen Services an, mit denen sie die Anforderungen der Volkswagen Konzernlogistik an Transparenz erfüllen können“, sagt Kampowsky.

Derzeit kann RIO bereits Komplettladungen tracken. In einer Ausbaustufe werden auf der Plattform auch Informationen zu Teilladungen bis auf Sendungsebene verfügbar sein. Dann lässt sich zum Beispiel nachvollziehen, welcher Anteil einer Ladung im Lkw aus Bratislava nach Ingolstadt und welcher nach Wolfsburg geliefert wird. Das ist nötig, um in der Just-in-time-Logistik die richtigen Teile zur richtigen Zeit am richtigen Band zu haben.

Tobias Hobbs-Zöllner

Tobias Hobbs-Zöllner, Leiter Strategie bei RIO, hat die Zukunft im Blick und will die Logistikplattform als Branchenlösung etablieren.

Zur Umstellung auf die neue Logistikplattform gehören diverse Einzelprojekte. Eines davon ist kürzlich angelaufen. Von Kassel aus wird die Ersatzteilversorgung des Volkswagen Konzerns organisiert. Ein Hauptlager und verschiedene Nebenlager bilden dabei ein geschlossenes Transportnetzwerk; etwa 800 Lagermitarbeiter melden in einem Buchungstool ihre Bedarfe an. RIO entwickelte dafür eine Software zur Beauftragung von Transporten, die eine bessere Datenqualität und höhere Transparenz bietet. Während die angeschlossenen Transportdienstleister den Auftrag annehmen und bestätigen, hat das Controlling nun alle anstehenden und abgewickelten Transporte im Blick und kann bei Bedarf die betrieblichen Abläufe optimieren. Das Projektteam entwickelte die Software im ständigen Austausch mit den Ansprechpartnern der Konzernlogistik und des Logistikbereichs, der letztlich von den Optimierungen profitiert. Dabei zeigte sich, wie wirksam agile Methoden sind: Nach rund vier Monaten war das Projekt erfolgreich im vorgegebenen Zeitrahmen abgeschlossen.

„Man kann die Logistikplattform als Branchenlösung etablieren, unabhängig davon, ob es sich um Automobil-, Pharma- oder Foodlogistik handelt.“
Tobias Hobbs-Zöllner
Leiter Strategie bei RIO

Plattform als Branchenlösung etablieren

Die Digitalisierung der Volkswagen Konzernlogistik verspricht Synergien, denn grundsätzlich können auch andere Nutzer über Konzern- und Branchen-Grenzen hinaus die neu entwickelten Services nutzen – vor allem das produzierende Gewerbe mit einer hoch seriellen Fertigung. „Man kann die Logistikplattform als Branchenlösung etablieren, unabhängig davon, ob es sich um Automobil-, Pharma- oder Foodlogistik handelt“, berichtet Tobias Hobbs-Zöllner, Leiter Strategie bei RIO. Durch Skaleneffekte entstünden Vorteile für alle Beteiligten. Und das RIO Team arbeitet bereits an den nächsten Schritten.

Jan Kaumanns

Jan Kaumanns, CEO von RIO, ist stolz darauf, die digitale Kompetenz des Unternehmens in die Partnerschaft einzubringen.

„Komplexe Umstellungen wie diese funktionieren nur, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen – vom Vorstand über die Logistiker bis zu den IT-Experten.“
Jan Kaumanns
CEO von RIO

Künstliche Intelligenz könnte in Zukunft eingesetzt werden, um Wetter- und Verkehrsdaten auszuwerten und vorherzusagen, dass die Lieferung von Bratislava nach Wolfsburg sich wegen Schneefalls oder eines Staus um beispielsweise eine Stunde verzögert. Auf diese Weise wird eine entscheidende Information in der Just-in-time-Logistik automatisiert und verlässlich übermittelt. Auch die Integration von weiteren Verkehrsträgern wird zukünftig an Bedeutung gewinnen, da RIO als multimodale Supply Chain-Lösung angelegt ist. Eines betont RIO CEO Jan Kaumanns mit Blick auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Volkswagen Konzernlogistik ganz besonders: „Komplexe Umstellungen wie diese funktionieren nur, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen – vom Vorstand über die Logistiker bis zu den IT-Experten.“