Für einen nachhaltigen öffentlichen Personennahverkehr spielen elektrische Busflotten eine wichtige Rolle – so auch für die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG. Während sie mit MAN bereits E-Busse im Alltag testet, plant MVG-Bus-Chef Veit Bodenschatz schon weiter. Bis 2030 soll der Betrieb weitgehend ohne Emissionen auskommen. Wie kann das gelingen?
Langsam bahnt sich der weiß-blaue Bus der Linie 144 seinen Weg durch den dichten Münchner Feierabendverkehr. An der Haltestelle Olympiapark West wartet bereits ein gutes Dutzend Fahrgäste. Routiniert bewegen sie sich in Richtung Bordsteinkante, als sich der Bus nähert. Nur ein Fahrgast schaut weiter gebannt auf sein Smartphone. Erst im letzten Moment blickt er auf, eilt zur Tür und steigt ein.
Der Wartende hatte wohl auf das gewohnte Dieselbrummen des Busses als Signal gesetzt. Doch nur ein leises Surren verrät die Ankunft des MAN Lion’s City 12 E, der hier seine Runden dreht. Der vollelektrisch angetriebene Solo-Bus fährt im Rahmen einer Innovationspartnerschaft von MAN und der Münchner Verkehrsgesellschaft MVG auf der Linie 144. Bis 2030 sollen dem Fahrzeug zahlreiche weitere Elektrobusse folgen, denn das Verkehrsunternehmen will den Busverkehr bis dahin soweit wie möglich elektrifizieren.
Umstellung 1:1
Um ihr ambitioniertes Ziel zu erreichen, setzt die MVG auf die Elektrifizierung des Fuhrparks. „Mit der aktuellen Generation an Elektrobussen könnten wir schon jetzt knapp die Hälfte unserer Linien betreiben“, berichtet Veit Bodenschatz, Leiter Geschäftsbereich Bus bei der MVG. „Denn die Reichweite der Fahrzeuge gibt das heute schon her – und zwar ganz ohne Änderungen an der Disposition oder den Routen, sodass wir bestehende Linien erhalten können.“ Ein wichtiges Kriterium, denn schließlich soll dort, wo bisher ein Dieselfahrzeug im Einsatz ist, zukünftig auch nur ein Elektrofahrzeug unterwegs sein. Andernfalls wäre eine Umstellung für die MVG nicht wirtschaftlich.
Auch was die anderen rund 40 Münchner Buslinien angeht, die überwiegend auf längeren Strecken unterwegs sind, blickt Bodenschatz zuversichtlich nach vorne. Er rechnet innerhalb der nächsten fünf Jahre mit einer deutlichen Reichweitensteigerung, die es ermöglicht, weitere Strecken zu elektrifizieren. Bestätigt wird seine Einschätzung von Rudi Kuchta, Head of Business Unit Bus bei MAN Truck & Bus: „Wir wollen die Reichweite unserer vollelektrisch angetriebenen Busse bis 2025 auf bis zu 400 Kilometer steigern – und zwar über die gesamte Lebensdauer der Batterien. So können unsere Kunden etwa 90 Prozent all ihrer Strecken rein elektrisch bedienen.“
Städte setzen auf E-Busse
Eine gute Perspektive auch für die MVG, die 2021 zunächst 12 weitere bereits bestellte Elektrobusse erwartet. Bei einem Fuhrpark, der rund 400 eigene Fahrzeuge umfasst, ist das erst der Anfang. Die Zahl der neu angeschafften elektrifizierten Stadtbusse wird in den nächsten Jahren signifikant steigen. Ähnlich verhält es sich in vielen anderen Städten Europas, die mehr nachhaltige Mobilität schaffen wollen: Neben München arbeiten unter anderem Berlin, Dresden, Köln, Hamburg, Paris und Barcelona daran, den Nahverkehr zu elektrifizieren.
Serienproduktion läuft an
MAN ist bestens auf diese Nachfrage vorbereitet. Nach ersten erfolgreichen Alltagseinsätzen und langfristig angelegten Feldversuchen in diversen europäischen Städten ist die Serienproduktion des MAN Lion’s City 12 E im Oktober 2020 angelaufen. Erste Serienfahrzeuge sind bereits an Kunden in Hamburg ausgeliefert, weitere folgen für den Linienbetrieb im schwedischen Malmö und in Nürnberg. Die ersten vollelektrifizierten Gelenkbusse gehen ab April 2021 in Serie, auch dabei spielen Praxistests im Vorfeld eine wichtige Rolle. „Unser Gelenkbus wird genau wie der Solobus an verschiedenen Orten und unter realen Bedingungen im Alltagsbetrieb getestet – konkret zuerst in Köln und Barcelona“, berichtet Kuchta. „So gewinnen wir vielfältige Erkenntnisse, etwa was unterschiedliche topographische Verhältnisse und das regionale Klima betrifft.“ Die dabei gewonnenen Daten zur Performance des vollelektrischen Antriebs stellt MAN zukünftig auch Kunden zur Verfügung, um ihnen den Einstieg in die E-Mobilität zu erleichtern.
Infrastruktur wird angepasst
Für Verkehrsbetriebe wie die MVG sind die Daten über den Strombedarf der einzelnen Fahrzeuge sehr wichtig. Sie werden in eine eigens von der MVG entwickelten Software verarbeitet, die auf dieser Grundlage die Ladungszyklen der Fahrzeuge steuert. „Auf unserem neuen Betriebshof Moosach, den wir ab Herbst 2021 nutzen, stehen uns anfangs 56 Lademöglichkeiten zur Verfügung“, schildert Bodenschatz. „Diese Kapazitäten erweitern wir bis 2026 sukzessive auf einen Zielwert von 172 Ladepunkten.“ Im nächsten Schritt rüstet die MVG auch den zweiten Betriebshof Ost nach demselben Prinzip um. Auf diese Weise stellt die Verkehrsgesellschaft sicher, dass die E-Busflotte zuverlässig mit Strom versorgt wird.
Die MVG im Profil
Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) organisiert und koordiniert den öffentlichen Personennahverkehr in München. Auf 82 Buslinien setzt sie in den Hauptverkehrszeiten rund 550 Busse aus dem eigenen Fuhrpark und den Flotten von Kooperationspartnern ein. Daneben betreibt die Verkehrsgesellschaft acht U-Bahn- und 13 Tram-Linien, verleiht Fahrräder und bietet E-Scooter sowie Carsharing an. Um zukünftig noch nachhaltiger zu werden, will das Unternehmen seine Busflotte bis 2030 weitgehend elektrifizieren. Dazu ersetzt die MVG die bisher eingesetzten Dieselbusse durch E-Busse und baut gleichzeitig die Ladeinfrastruktur für die neuen Fahrzeuge aus.
Den öffentlichen Personennahverkehr stärker auf einen nachhaltigen Betrieb auszurichten, kostet die regionalen und kommunalen Verkehrsbetriebe viel Geld. Um ihnen die Umstellung zu erleichtern, stellt die öffentliche Hand in Europa Fördergelder zur Verfügung. Bis zur Hälfte der Kosten für neue E-Fahrzeuge können mit Hilfe von staatlichen Zuschüssen finanziert werden. Beim Ausbau der Ladeinfrastruktur – also den Ladesäulen, Transformatoren, Verteilerkästen und Leitungen – wird die MVG mit 40 Prozent der Investitionssumme unterstützt. „Die Subventionen ermöglichen uns den schnellen und umfassenden Ausbau der Anlagen und die Umstellung der Busse auf nachhaltige Antriebstechnologien“, unterstreicht Bodenschatz. Es scheint, als dürften sich die Fahrgäste an den Münchner Haltestellen schon bald an das leise Herannahen der Busse gewöhnen.