Der neue Common Base Engine der TRATON GROUP ist umweltschonender als vergleichbare Dieselmotoren und schafft einen nachhaltigen Übergang in die batterieelektrische Transportwelt. Zugleich treibt das Aggregat die Zusammenarbeit der Marken von TRATON voran – in puncto Produktion, globale Beschaffung und IT-Infrastruktur.
Keine Frage: Elektrisch betriebene Trucks und Busse sind künftig die Grundlage einer klimaneutralen Transportwelt. Schon heute leisten sie in vielen Anwendungen einen wichtigen Beitrag. Auch bei der TRATON GROUP laufen bereits die ersten batterieelektrischen Lkw und Busse vom Band, und parallel dazu werden die ersten autonom fahrenden Lkw entwickelt. Bis das gesamte Produktportfolio elektrisch sein wird, dauert es allerdings noch. Denn in vielen Einsatzbereichen sind die Voraussetzungen – beispielsweise eine leistungsfähige Ladeinfrastruktur – noch in der Umsetzungsphase. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, haben Ingenieure in der TRATON GROUP einen neuen Motor, den Common Base Engine (CBE) entwickelt – die letzte Dieselmotoren-Generation von TRATON. Der CBE verbraucht im Vergleich zu herkömmlichen Dieselmotoren erheblich weniger Treibstoff. Gleichzeitig ist er der Motor mit den geringsten CO2-Emissionen der TRATON GROUP.
Er wird künftig in schweren Nutzfahrzeugen der Marken Scania, MAN, Navistar und später auch bei Volkswagen Truck & Bus eingesetzt.
Doch warum lohnt es sich angesichts des Umstiegs zu batterieelektrischen Antrieben überhaupt noch, einen neuen Dieselmotor zu entwickeln? „Die Zukunft – nicht nur von TRATON – wird im Zeichen der E-Mobilität stehen“, sagt Michael Tzomakas, zu jener Zeit in seiner Rolle als Leiter des Future Powertrain Programs bei MAN in Nürnberg, im Juni 2022. Aber bis die E-Mobilität flächendeckend praktikabel sei, dauere es noch Jahre, in manchen Regionen sicher noch viele Jahrzehnte. Tzomakas: „Bis dahin haben wir mit dem CBE eine Übergangslösung, die noch effizienter und umweltfreundlicher ist als die bisherigen Dieselmotoren.“
Der CBE markiert nicht nur einen Abschluss, sondern auch einen Höhepunkt. Denn bei seiner Entwicklung arbeiteten die Marken Scania, MAN und Navistar eng zusammen – vor allem in den Bereichen Produktion, Einkauf und IT-Infrastruktur. In Teamarbeit, die Corona-bedingt vorwiegend virtuell stattfand, haben sie das neue Produkt entwickelt und gemeinsam getestet.
IT-Infrastruktur: Synchronisation der Marken
Mathey Wiesbeck, Head of Processes und Methods Group Product Management der TRATON GROUP in Södertälje, ist dafür zuständig, die Produktentwicklung der am CBE-Projekt beteiligten Marken zu synchronisieren. Denn es braucht einen gemeinsamen Weg, eine einheitliche Methode, die Prozesse innerhalb des Projekts zu beschreiben, und mit den verschiedenen Betriebssystemen der Marken zu kommunizieren. Wiesbeck erklärt: „Unsere Collaboration Models definieren, welche Marke den Lead im Entwicklungsprojekt übernimmt, welche Verantwortung und welche Aufgaben damit einhergehen und was die anderen Marken für dieses Projekt zuliefern müssen.“ Beim CBE hat Scania den Lead und führt die anderen Marken an. Die Collaboration Models bestimmen zudem alle wichtigen Informationen zu finanziellen Mitteln, Ressourcen, Problembehebungen und geistigem Eigentum.
Eine wichtige Rolle für den Austausch zwischen den Marken spielt die Plattform CHAMP. Sie sorgt dafür, dass Daten von einer Marke in den Systemen der anderen Marken genutzt werden können. Die Art und Weise, wie die Marken Bauteile und Produkte in ihrer jeweiligen IT-Infrastruktur erfassen, unterscheidet sich. Der Austausch über CHAMP stellt sicher, dass jede Marke jedes Bauteil so verwenden kann, als hätte sie es selbst entwickelt. Dazu müssen etwa Zeichnungen, Zeichnungsnummern oder Stammdaten kritischer Teile übertragen werden. Wenn es neue Informationen zu einem Thema gibt, muss garantiert sein, dass jeder der Projektpartner diese auch erhält.
Das ist ein langer manueller Prozess, der nicht über Nacht abgeschlossen ist. „Die Entwicklungsarbeit hat hauptsächlich auf den Plattformen von Scania stattgefunden“, erläutert Wiesbeck. „Das Produkt, also der CBE, muss aber auch in den Systemen von Navistar und MAN verfügbar sein – und zwar so, als ob es ein eigenes Produkt dieser Marken wäre.“ Auch Change-Management- und Fehlermanagement-Prozesse müssen zwischen den Marken abgebildet werden. „Das gilt besonders für die Zeit, in der das Produkt dann tatsächlich in Betrieb ist“, so Wiesbeck. Die Plattform CHAMP regelt auch Eskalationsmechanismen und die Governance-Strukturen dafür. Mathey Wiesbeck ist überzeugt: „Durch die Anforderungen des CBE sind Entwicklungen in den Plattformen und Prozessen angestoßen worden, die eine starke Basis für die Zusammenarbeit in der Zukunft bieten.“ Ziel sei es, eines Tages eine gemeinsame Infrastruktur für Daten zu haben, was die Effizienz steigere. „Wir bewegen uns von der Synchronisierung zur Kommunalisierung unserer Daten", erklärt Wiesbeck. Alle Marken der TRATON GROUP sollen dann auf alle Daten gleichberechtigt zugreifen können – was auch in zukünftigen Projekten, etwa in den Bereichen Elektromobilität und Autonomes Fahren, von großer Bedeutung sein wird. „Der CBE wird die Basislösung für unsere zukünftigen autonomen Fahrzeuge sein“, bestätigt Ryan Ludera, Senior Program Manager bei Navistar. Sobald der CBE im Einsatz sei, werde man Kundendaten sammeln, um ein besseres Nutzungsprofil zu erhalten und etwaige Anpassungen vorzunehmen. „Wir wollen zudem verstehen, welche Effekte etwa unterschiedliche Geschwindigkeiten oder Wirkungsgrade auf den Motor und den Kraftstoffverbrauch haben, um die Varianten des CBE, die wir in Zukunft bauen, noch effizienter zu machen. Um ein qualitativ noch besseres Produkt herzustellen“, so der US-Amerikaner.
Produktion & Beschaffung: Reduzierter Verbrauch, weniger Emissionen
Bei Scania wird der CBE bereits seit 2022 produziert, bei Navistar ab 2023, das Unternehmen hat seine Version des CBE, den International S13 Integrated Powertrain, im August 2022 vorgestellt. MAN zieht 2024 mit der Serienproduktion nach, und bei Volkswagen Truck & Bus soll der CBE ab 2028 zum Einsatz kommen. Die Marken haben jeweils einen hohen Betrag in ihre Standorte investiert. Die CBE-Motoren werden nicht in einer zentralen Fabrik, sondern an verschiedenen Standorten gebaut – die Motoren für Scania im schwedischen Södertälje, jene für MAN in Nürnberg, die Motoren für Navistar in Huntsville im US-Bundesstaat Alabama und die Motoren für Volkswagen Truck & Bus im brasilianischen São Bernado de Campo, wo auch Motoren und Getriebe für Scania Latin America hergestellt werden. „Damit es bei den Motoren keine Qualitätsunterschiede gibt, beschaffen wir Werkzeuge, Maschinen und Bauteile gemeinsam und haben auch die Produktionsprozesse vereinheitlicht“, erzählt Michael Tzomakas von MAN. „So können wir weltweit an allen Standorten dieselbe Qualität gewährleisten.“
Scania hat in Södertälje eine neue Gießerei für die Kurbelgehäuse des Motors errichtet und liefert Gussteile nach Nürnberg zu MAN. Ein solches Vorgehen bringt nicht nur Kostenvorteile, sondern verschafft den einzelnen Produktionsstandorten eine gewisse Flexibilität: Hat ein Werk in einem bestimmten Bereich einen Engpass, kann ein anderes Werk ohne Weiteres mit Bauteilen und Ähnlichem aushelfen. Mit dem gemeinsamen Powertrain gibt es eine globale Lieferantenbasis für die Lkw und Busse und die Möglichkeit, Kapazitäten zwischen den vier Motorenwerken in Södertälje, Nürnberg, Huntsville und São Bernado de Campo zu verteilen. Auch Tzomakas sieht die enge Zusammenarbeit der Marken positiv – nicht nur aufgrund der globalen Beschaffung: „Durch die Kooperationen wird die Arbeit auf mehreren Schultern verteilt, das ist ein großer Vorteil. Durch das gemeinsame Projekt haben wir eine Menge gelernt. Ich bin mir sicher, dass wir mit dem CBE alle Marken entscheidend vorwärtsbringen werden“, so Tzomakas.
Gemeinsames Lernen
Doch nicht nur das Produkt selbst ist ein Novum, auch die gruppenweite Zusammenarbeit an dem Projekt als solches markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der TRATON GROUP: „Es ist die erste markenübergreifende Zusammenarbeit dieses Ausmaßes“, sagt Tzomakas. Robert Dubois, Leiter der Abteilung Production Network and Strategy bei der TRATON GROUP, stimmt zu. Er findet: „In diesem gemeinsamen Projekt haben wir sehr viel für künftige Kollaborationen gelernt. Wir haben mit ihm Standards gesetzt, etwa in puncto Arbeitsprozesse und Beschaffung. Egal, ob wir eine Komponente in Huntsville, Nürnberg oder Södertälje produzieren, die Methoden und Tools, die wir benutzen, sind immer dieselben.“
Darüber hinaus seien die Mitarbeiter der verschiedenen Marken durch die Zusammenarbeit enger zusammengewachsen. „Das Projekt hat unseren Teamgeist gestärkt und uns als Gruppe geholfen, vorwärtszukommen. Wir fühlen uns jetzt für zukünftige Herausforderungen gut gewappnet“, sagt Dubois.
Der Weg ist bereit
Das CBE-Projekt ist nicht nur ein marken- und abteilungsübergreifendes, sondern auch ein interkulturelles Projekt, in dem Deutsche, Schweden, US-Amerikaner und Angehörige vieler weiterer Nationen zusammenarbeiten. „Die Arbeitssprache der Projektmitarbeiter ist Englisch. Die Zusammenarbeit klappt sehr gut, wir sind im Laufe der Zeit immer mehr zusammengewachsen“, berichtet Ludera, auch wenn es natürlich immer mal wieder Herausforderungen gebe. „Man muss sich stets der kulturellen und auch der unternehmenskulturellen Unterschiede bewusst sein“, so der Program Manager. Seine schwedische Kollegin Karin Elfgren, die zusammen mit Ulf Angsmyr als Senior Project Manager bei Scania arbeitet und gemeinsam mit ihm die jeweiligen Softwaresysteme anpasst, ergänzt: „Wir versuchen zu verstehen, was in der jeweiligen Kultur als wichtig erachtet wird. Es hilft, sich der kulturellen Eigenheiten bewusst zu sein, Missverständnisse zu vermeiden und Vertrauen zwischen den Kollegen zu schaffen.“
„In den nächsten Jahren werden die Marken immer intensiver zusammenarbeiten“, sagt Angsmyr, auch er ist Senior Project Manager bei Scania. „Das ist unser Ziel bei TRATON.“ Das CBE-Projekt habe den Mitarbeitern der verschiedenen Marken und der Bereiche Produktion, Beschaffung und IT dabei geholfen, zusammenzuwachsen und Vertrauen aufzubauen. „Wenn wir unsere Ressourcen klug nutzen, uns gegenseitig helfen und bereit sind, voneinander zu lernen, dann werden wir auch auf lange Sicht weiter erfolgreich sein“, ist sich Angsmyr sicher. Obwohl es nicht immer leicht gewesen sei, habe sich gezeigt, dass man gemeinsam in der Lage ist, ein solch komplexes Gemeinschaftsprojekt erfolgreich zu meistern. Der Weg für zukünftige gruppenweite Projekte ist nun jedenfalls bereitet.