Autonomes Fahren und Elektromobilität sind zentrale Zukunftsfelder des gesamten Verkehrssektors. Ob Pkw, Lkw, Busse oder auch Baumaschinen wie Bagger und Radlader: Anwendungsbeispiele für beide Themenfelder gibt es reichlich, allein um die Verknüpfung ist es noch rar bestellt – dabei liegt darin, vor allem im Bereich Lkw und Transport, ökonomisch wie ökologisch das mit Abstand größte Potential.
Doch zunächst zum Stand der Dinge: Elektrofahrzeuge wie Autos sind längst feste Bestandteile des Straßenbildes, Vertreter aus der Bus- und Lkw-Fraktion auf dem Vormarsch. Was automatisiertes Fahren betrifft, liegen die Hürden allgemein höher, insbesondere bei Pkw, aber vom selbstfahrenden Lkw gibt es in Hafenterminals, im Hub-to-Hub-Verkehr oder im Tagebau bereits seriennahe Anwendungen. Die TRATON GROUP ist mit Nutzfahrzeugen von Scania, MAN, Volkswagen Caminhões e Ônibus (VWCO) und Navistar weltweit vertreten, ist derzeit in eine Fülle derartiger Projekte involviert. Noch weiter fortgeschritten zeigt sich der Status im Bereich Elektromobilität: Batterieelektrische Lkw für den regionalen Verkehr befinden sich unter dem Dach der TRATON GROUP in Serienproduktion, langstreckentaugliche Varianten folgen ab 2024.
Elektrifizierung ist möglich und wirtschaftlich
Der Weg von der Theorie in die Praxis ist längst eingeschlagen: Bereits im Herbst 2021 hat das Fraunhofer ISI im Auftrag von Transport & Environment gezeigt, dass die Elektrifizierung des regionalen Lieferverkehrs bereits heute profitabel und emissionsfrei möglich ist. TRATON hat die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie, die auf echten Unternehmensdaten basiert, mit hohem Interesse aufgenommen. Jekaterina Boening, Projektleiterin für die Studie bei Transport & Environment Deutschland, fasst die Resultate sehr deutlich zusammen: „Die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs ist möglich und verspricht wirtschaftliche Vorteile für Unternehmen.“ Konkret sieht T&E in einer gemeinsamen Studie mit ICCT (The International Council on Clean Transportation) Kostengleichheit von E-Lkw mit Diesel-Trucks bereits bis Mitte der 2020er Jahre.
Und auch TRATON geht davon aus, dass die Gesamtbetriebskosten von batterieelektrischen Lkw schon in naher Zukunft mit denen von Dieselfahrzeugen vergleichbar sein werden – mit Tendenz zum deutlichen Unterbieten ab Mitte der Zwanzigerjahre. Nicht zuletzt zeichnen sich in der Entwicklung immer günstigere und gleichzeitig langlebigere Batterien ab, die nicht nur elektrischen Verteiler-Lkw weiteren Schub verleihen, sondern auch elektrischen Fernverkehrs-Lkw.
Logische Verknüpfung: Elektrisch und autonom
Der nächste Schritt in Richtung Zukunft liegt in der Verknüpfung mit dem autonomen Fahren. Unter den Praxiserprobungen, die die TRATON GROUP mit Partnern und Kunden weltweit durchführt, ragen einige Leuchtturmprojekte besonders hervor. Bereits seit 2018 sammelt zum Beispiel Scania in einer australischen Salzmine des Unternehmens Rio Tinto Erfahrungen mit einem autonomen schweren Baustellenfahrzeug. Der große Vorteil daran ist, dass es sich um ein abgegrenztes Gelände ohne Personenverkehr handelt. Weitere Projekte in klar definierten Einsatzgebieten unterhält MAN in einem intermodalen Depot in Ulm und im Hamburger Hafen: Der automatisierte Containertransport markiert eine wichtige Etappe auf dem Weg zu autonomen Hub-to-Hub-Verkehren. Nach Ansicht von TRATON liegt darin generell einer der frühesten und zugleich der vielversprechendste Anwendungsfall für autonom und möglichst batterieelektrisch fahrende Lkw: Im vergleichsweise wenig komplexen Autobahn-Langstreckeneinsatz zwischen Güterverkehrszentren bieten autonome Lastwagen das größte Potenzial, Transporte effizienter, kostengünstiger, zuverlässiger, nachhaltiger und sicherer zu machen. Die rechtlichen Voraussetzungen für künftige Hub-to-Hub-Anwendungen als wichtige Komponente der Logistik 4.0 schafft in Deutschland übrigens das Gesetz zum autonomen Fahren, das im Juli 2021 in Kraft getreten ist.
Der Anfang ist gemacht
Den Bogen zum autonomen batterieelektrischen Fahren schlägt Scania mit dem Konzeptfahrzeug NXT. Gedacht für urbane Umgebungen, kommt hier zusätzlich ein modularer Ansatz zum Tragen: Das autonome Fahrgestell mit elektrischer Antriebseinheit lässt sich mit Wechselaufbauten kombinieren, um zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten beispielsweise als Pendlerbus, Verteiler-Lkw oder Müllsammelfahrzeug zu agieren. Der nahezu geräuschlose Elektroantrieb bietet auch große Vorteile, wenn es um Arbeiten in lärmsensiblen Bereichen oder zu gesetzlichen Ruhezeiten geht.
Nun fällt der NXT noch unter das Stichwort Zukunftsvision, doch was ist mittelfristig ganz konkret von der Kombination aus autonomem und elektrischem Antrieb zu erwarten? In der Zusammenführung beider Themen sieht TRATON in der Betrachtung der Gesamtbetriebskosten (TCO) den maximalen Benefit. Bei den Gesamtbetriebskosten pro Kilometer ist bereits im Vergleich Verbrennungs- versus Elektromotor bei gleichbleibender jährlicher Laufleistung von Einsparungen bis in den zweistelligen Prozentbereich auszugehen. Im nächsten Schritt hin zu einem autonom fahrenden E-Fahrzeug ohne Fahrer wird die Ersparnis noch drastisch höher ausfallen. In dieser Kalkulation bleiben die Kosten für das Fahrzeug, Wartung und Reparatur sowie Energie in der Summe ungefähr gleich, die eingesparten Fahrergehälter überwiegen den Aufwand für die Selbstfahrtechnologie, kurz SDS (Self-Driving-System), jedoch bei weitem. Die Unternehmensberatung Capgemini beziffert die Ersparnis bei den Total Cost of Ownership durch den Entfall des Fahrers mit über 30 Prozent. Hinzu kommt die höhere Sicherheit durch die computergesteuerte vorausschauende Fahrweise.
Unschlagbare Kostenvorteile
Mit Wegfall der Fahrer kann ein selbstfahrender E-Lkw zudem leicht die zwei- bis zweieinhalbfache Fahrdistanz als Ziel bewältigen. Selbst mit Be- und Entladevorgängen, die beispielsweise im Containerverkehr ebenfalls autonom vonstattengehen könnten, und dem erforderlichen (Hochleistungs-)Laden sind bis zu 20 Stunden Fahrzeit am Tag eine realistische Größe. Bei einer Autobahn-Durchschnittsgeschwindigkeit von 75 km/h errechnen sich bis zu 1500 Kilometer am Tag oder locker 340.000 Kilometer pro Jahr – Wochenenden, Feiertage und Zeiten für Service und Wartung bereits berücksichtigt. Und nicht zuletzt bietet der Einsatz autonomer Lkw einen Ansatz gegen den nicht nur drohenden sondern bereits bestehenden Fahrermangel: In Großbritannien führte der Mangel an Berufskraftfahrern bereits zu leeren Supermarktregalen. Beispielsweise in Deutschland fehlen laut Bundesverband Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) ebenfalls bereits bis zu 80.000 Fahrer. Jedes Jahr gingen zudem rund 30.000 Lkw-Fahrer in Rente, während nur zwischen 13.000 und 17.000 Menschen den Beruf am Steuer ergriffen. Der Fahrermangel nimmt folglich zu, autonome Fahrzeuge können künftig helfen, Versorgungsketten dennoch sicherzustellen.
Bei der Betrachtung der möglichen Fahrleistung spielt ein weiterer Aspekt eine wichtige Rolle: Mit dem autonomen Fahren entfällt das starre Korsett der menschlichen Lenk- und Ruhezeiten. Somit ist das momentan angestrebte Szenario, nach jeweils viereinhalb Stunden Fahrt in der Lenkpause 45 Minuten zu laden, künftig hinfällig: Mit autonom fahrenden Trucks lassen sich die Nachladestopps flexibler planen und ganzheitlich optimieren. Dabei kommt es auf die Route, den Fahrzeug- beziehungsweise Batteriezustand sowie die vorhandene Infrastruktur und Energiepreise an. Das heißt konkret: Der Langstrecken-Lkw lädt potenziell immer dann nach, wenn Strom im Überfluss und damit günstig zur Verfügung steht. Dadurch werden nicht nur die Kosten minimiert, sondern auch die Netze entlastet. Unerwünschte Leistungsspitzen, die vor allem bei Erneuerbaren häufig auftreten – viel Wind und viel Sonne aber gleichzeitig wenig Bedarf –, bringen bereits heute immer wieder Stress in das System. Zudem wird menschliches Personal auch beim Laden immer seltener erforderlich sein: Automatisierte Ladestationen, an denen das Fahrzeug nur noch eine vorgegebene Position einnehmen muss, befinden sich bereits in der praktischen Erprobung. Für ein konduktives Schnellladen mit Kabel, möglichst im Megawatt-Bereich, kommen dabei Robotik-Systeme zum Einsatz. Der Gedanke an induktives Laden drängt sich zwar auf, ist aber aufgrund der viel geringeren Effizienz beziehungsweise Ladeleistung gegenwärtig noch kein Thema.
Industrie im Wandel
„Noch in den Zwanzigerjahren, vor breiter Marktdurchdringung des autonomen Fahrens, sind Nachladezeiten von etwa einer halben Stunde und durchschnittliche Nonstop-Fahrzeiten von acht Stunden mit einem autonomen Lkw durchaus realistisch“, rechnet Andreas Kammel, bei der TRATON GROUP für die Elektrifizierungsstrategie verantwortlich, vor und fügt hinzu: „Das autonome Fahren treibt durch die intensive Nutzung die Kostenvorteile des E-Lkw vollends auf die Spitze. Damit ist der E-Lkw die mit Abstand kostengünstigste und sauberste Lösung für den Schwerlastfernverkehr, nicht nur kurz-, sondern gerade auch langfristig. Alles, was wir dafür tun müssen, ist vorauszuplanen und den Hochlauf des E-Lkw bereits jetzt bei der Ladeinfrastruktur für den Pkw mitzudenken.“
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Sobald technisch möglich und vom Gesetzgeber erlaubt, wird der TCO-Vorteil auf allen geeigneten Relationen zu einem schnellen Wechsel auf autonome E-Lkw führen. Traditionelle Transporte werden sich auf solchen Strecken schlicht nicht mehr konkurrenzfähig darstellen lassen, und die immensen Kostenvorteile auch die Investitionen in die Ladeinfrastruktur bei weitem überwiegen. Veränderungen in den Geschäftsmodellen der Spediteure gehen damit einher, ebenso wie die Anforderungen an die Lkw-Hersteller. Diese intelligente Transformation der Mobilität ist bei TRATON in vollem Gange.