Im westafrikanischen Ghana bildet Scania gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH Frauen in sechs Monaten zu Bus- oder Lkw-Fahrerinnen aus. Auch wenn der Weg nicht immer leicht ist: Das Projekt eröffnet den Teilnehmerinnen neue Perspektiven und Entwicklungschancen. Drei der ausgebildeten Frauen erzählen.

Text: Florian Lehmann

Auf die verdutzte Nachfrage, was ein Trotro sei, lacht Harriet Nyahe herzlich. Gerade hat die Ghanaerin erzählt, dass sie noch vor zwei Jahren als Ticketverkäuferin in einem der privat betriebenen Sammeltaxis durch die Straßen der Hauptstadt Accra kurvte. Im fahrenden Trotro warb die 32-Jährige um Fahrgäste und verkaufte Tickets direkt aus dem Fenster heraus. Ein nicht ungefährlicher und auch nicht besonders lukrativer Job. Sie konnte ihn aufgeben, als sie ihre Ausbildung an der West African Transport Academy (WATA) begann.

Großes Interesse an der Ausbildung

Harriet Nyahe ist eine von inzwischen rund 140 Frauen, die an der WATA zur Bus- oder Lkw-Fahrerin ausgebildet wurden. Das 2016 unter der Leitung von Scania und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH gegründete Ausbildungszentrum eröffnet den Teilnehmerinnen neue Entwicklungschancen. Mit Hilfe eines speziell für Frauen entwickelten Programms soll die Ausbildung von Frauen verbessert werden und dadurch die Gleichberechtigung gestärkt werden. Das Angebot kommt gut an – stellt aber auch eine Herausforderung für die Absolventinnen dar, sich in einer stark männerdominierten Transportbranche zu behaupten. Die Nachfrage nach den Ausbildungsplätzen war von Anfang an bemerkenswert, erinnert sich GIZ-Projektleiterin Johanna Moss: „Schon in der ersten Woche hatten wir fast 400 Bewerberinnen, die sich für die Ausbildung interessierten. Der Ansturm war immens.“

Johan Bodin

Harriet Nyahe transportiert seit dem erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung Kerosin.

400
Rund 400 Frauen haben sich in der ersten Woche beworben.

Unter den seither ausgebildeten Frauen sind neben Harriet Nyahe auch Grace Adomako und Oye Lewis. Genau wie viele andere Teilnehmerinnen hatten die beiden vor ihrer Ausbildung durch die WATA einen völlig anderen Beruf und brachten keinerlei Vorerfahrung mit. Lewis hatte zuvor mit Wasser gehandelt, Adomako war pharmazeutische Assistentin. Inzwischen sind sie gut ausgebildete und gefragte Fahrerinnen: Viele der Frauen erhalten unmittelbar nach dem Abschluss eine Stelle.

Isabelle Heger

Einige der Frauen steuern nach ihrer Ausbildung Tanklaster im Auftrag eines großen Mineralöl- und Erdgasunternehmens.

Um die Frauen auf dem Weg in ihr neues Berufsleben bestmöglich zu unterstützen, legen Scania und die GIZ besonderen Wert auf die Ausbildung der ausgewählten Kandidatinnen durch geeignetes Personal aus der Region. „Es war jedoch eine Herausforderung, hierfür qualifizierte Ausbilder im Land zu finden“, erinnert sich Johanna Moss. „Doch letztlich wurden wir an unerwarteter Stelle fündig: Wir konnten uns die Unterstützung von Sicherheitskräften im Ruhestand sichern.“ Diese waren während ihrer aktiven Dienstzeit von deutschen Polizisten geschult worden. „Das war ein Glücksfall“, sagt Moss. „Die Ausbilder waren dadurch bereits mit dem deutschen System der dualen Ausbildung vertraut, das Theorie und Praxis eng miteinander verzahnt und das wir hier anwenden.“ Haroen Gyselinck, Leiter der WATA bei Scania West Africa, ergänzt: „Es war uns sehr wichtig, die Ausbildung hier systematisch anzugehen. Viele der Frauen hatten vorher nicht einmal einen Pkw-Führerschein.“

Das gilt auch für Grace Adomako. Sie erinnert sich an den ersten Tag hinter dem Steuer: „Am Anfang war es seltsam, den großen Linienbus zu fahren. Ich wollte es aber unbedingt schaffen.“ Die hohe Motivation, die Adomako dabei an den Tag legte, ist eine Gemeinsamkeit aller Teilnehmerinnen, wie Gyselinck berichtet: „Keine von ihnen hat auch nur einen Tag während der Ausbildung gefehlt.“ Ihre anfängliche Unsicherheit hat Adomako inzwischen lange hinter sich gelassen. Seit dem erfolgreichen Abschluss ihrer sechsmonatigen Ausbildung arbeitet die verheiratete Mutter zweier Kinder als Busfahrerin in Ghanas Hauptstadt Accra. Während sie Tag für Tag ihre vielen Fahrgäste ans Ziel bringt und entscheidend zum Lebensunterhalt der Familie beiträgt, kümmert sich ihr Mann um die beiden Kinder. So zeigen die beiden, dass althergebrachte Rollenbilder sich wandeln können und Gleichberechtigung möglich ist – wenn die Rahmenbedingungen passen.

Johan Bodin

Grace Adomako geht ihre Arbeit genauso motiviert an, wie ihre Ausbildung an der WATA.

„Am Anfang war es seltsam, den großen Linienbus zu fahren. Ich wollte es aber unbedingt schaffen.“
Grace Adomako
Von der WATA ausgebildete Bus-Fahrerin aus Ghana
Isabelle Heger

Oye Lewis schätzt vor allem die Unabhängigkeit, die ihre neue Arbeit als Lkw-Fahrerin mit sich bringt.

Anfängliche Skepsis der männlichen Kollegen

Doch nicht alle Männer bringen dieses Verständnis für die Arbeit der Frauen und ihr Streben nach Gleichberechtigung und Unabhängigkeit auf. Oye Lewis und Harriet Nyahe, die inzwischen beide als Lkw-Fahrerinnen Kerosin zum Flughafen transportieren, sahen sich besonders zu Beginn oft Vorurteilen und der Missbilligung männlicher Kollegen ausgesetzt. „Wir wollen unseren Lebensunterhalt verdienen und einer guten Arbeit nachgehen“, sagt Oye Lewis. „Am Anfang haben die Männer unseren Wunsch nach gleichen Rechten aber nicht akzeptiert und uns Steine in den Weg gelegt.“

„Wir wollen unseren Lebensunterhalt verdienen und einer guten Arbeit nachgehen.“
Oye Lewis
Von der WATA ausgebildete Lkw-Fahrerin aus Ghana

Mit Hilfe eines von der GIZ ausgearbeiteten, speziellen Trainings haben Oye Lewis und ihre Mitstreiterinnen dann aber gelernt, wie sie dem Verhalten der männlichen Kollegen etwas entgegensetzen können: Welche Situationen lassen sich von vornherein vermeiden, wie verhalte ich mich im Falle einer Konfrontation, wer kann mich unterstützen? „Die Frauen haben sich diesen Herausforderungen mit einer beeindruckenden Überzeugung gestellt“, betont Johanna Moss. „Das hat auch uns immer aufs Neue motiviert und uns gezeigt, wie wichtig das Projekt nach wie vor ist.“

Johan Bodin

Ein Scania Bus, wie ihn auch Grace Adomako steuert, im Einsatz in der ghanaischen Hauptstadt Accra.

Wertvolle Verbündete

Eine wichtige Verbündete und Botschafterin für das Projekt ist Esenam Nyador. Die früh ins Projekt eingestiegene, überregional bekannte Aktivistin ist noch einen Schritt weitergegangen als ihre fahrenden Mitstreiterinnen: Nach ihrer Teilnahme am Programm bildet sie an der WATA inzwischen selbst Frauen zu Bus- und Lkw-Fahrerinnen aus. Überhaupt ist die 43-jährige Nyador, die nebenher auch noch ein eigenes Taxiunternehmen führt, sehr engagiert, was die Chancengleichheit der Geschlechter im Transportwesen angeht. Die Unternehmerin bringt es auf den Punkt: „Mein Ziel ist es, im Transportwesen mehr Frauen ans Steuer zu bringen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, welche Herausforderung es ist, in diesem von Männern dominierten Geschäft Fuß zu fassen.“

Wirkung über Ghana hinaus

Ausdauer und Willenskraft aller Beteiligten zahlen sich aus. Nach den zahlreichen erfolgreich ausgebildeten Fahrerinnen stehen in Ghana aktuell 26 weitere Frauen kurz vor dem Beginn ihrer Ausbildung. Und der Erfolg der WATA ist Vorbild für weitere Projekte im westlichen Afrika. So plant Scania für 2021, ein ähnliches Projekt in der Republik Cote d’Ivoire zu starten. Auch hier sollen Männer und Frauen gleichberechtigt in der Wartung und Instandhaltung sowie für den Betrieb der Fahrzeuge ausgebildet werden. In beiden Ländern handelt es sich dabei um auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Projekte, die Frauen und Männer in der Region mittels einer gezielten Ausbildung dazu qualifizieren, gut bezahlte und langfristig sichere Arbeit zu finden. Eine erneute Kooperation zwischen der GIZ und Scania können die Beteiligten sich auch zukünftig gut vorstellen.

Die WATA

Westafrikanische Transport-Akademie

Die 2016 begründete West African Transport Academy (WATA) ist die erste Ausbildungseinrichtung in Ghana, die speziell auf den Transportsektor ausgerichtet ist. Im 25 Kilometer östlich der Hauptstadt Accra gelegenen Tema angesiedelt, werden dort Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer für Busse und Lkw sowie Mechanikerinnen und Mechaniker ausgebildet. Das Projekt ist eine Kooperation von Scania und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, die jeweils 45 Prozent der initialen Kosten in Höhe von rund 2,7 Millionen Euro tragen. Die GIZ setzt das Projekt im Rahmen des Programms develoPPP.de im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) um. Mit dem Programm fördert das BMZ das Engagement der Privatwirtschaft dort, wo unternehmerische Chancen und entwicklungspolitischer Handlungsbedarf zusammentreffen. Im Rahmen konkreter Projekte unterstützt develoPPP.de Unternehmen, die nachhaltig in Entwicklungs- und Schwellenländern investieren, finanziell und fachlich. Ein weiterer Projektpartner ist der Automobilzulieferer Bosch.