Herr Cortes, Sie sind seit über zwei Jahrzehnten Präsident und CEO von VWCO, waren auch vorher schon im Unternehmen. Erinnern Sie sich noch an Ihren Start bei VWCO?
Meine Karriere in der Automobilbranche begann vor 42 Jahren, als ich meinen Abschluss an der Universität machte. Damals kam ich als Management-Trainee zu Ford Brasil, wo ich verschiedene Funktionen ausübte und unterschiedliche Erfahrungen sammelte. In der Folge aber zog ich mit meiner Familie in die USA, um dort zu arbeiten. Dann kam mein Engagement bei Autolatina, ein Joint Venture zwischen Ford und VW in Südamerika. Nach dem Ende von Autolatina arbeitete ich eine Zeit lang für Volkswagen im Automobilbereich, bis 1998 mein Traum in Erfüllung ging: Ich wurde Trucker! In diesem Jahr übernahm ich die Rolle des Verantwortlichen für Volkswagen Caminhões e Ônibus.
Wollten Sie schon immer Ihre berufliche Bestimmung in der Automobilbranche finden? Oder hatten Sie als Jugendlicher einen ganz anderen Traum?
Nein. Seit ich ein Junge war träumte ich davon, Trucker zu werden. Ich liebte Autos – aber Lkw waren meine wahre Leidenschaft. Der CEO von Volkswagen Caminhões e Ônibus zu sein, das ist ein wahr gewordener Traum. Ich habe immer danach gestrebt, ein Unternehmen zu führen, insbesondere ein Lkw-Unternehmen.
Seitdem hat VWCO einen langen Weg zurückgelegt. Das Unternehmen fing 1981 mit nur zwei Lkw-Modellen an, heute ist VWCO einer der führenden Lkw- und Bushersteller Südamerikas. Was war der Schlüssel zu diesem Erfolg?
Volkswagen Caminhões e Ônibus hat immer hart dafür gearbeitet, eines der führenden Unternehmen auf dem lateinamerikanischen Lkw- und Busmarkt zu sein und sich dabei auf das beste Lkw- und Bus-Händlernetz in Brasilien zu stützen. Die richtigen Produkte für unsere Märkte zu haben, immer nach dem Motto „Weniger will keiner, mehr braucht keiner“. Wir verfügen dazu über einen hochmodernen Produktionsprozess mit dem Modular Consortium in Resende. Wir wollen Benchmark sein in den Bereichen Nachhaltigkeit, Soziales und Unternehmensführung, mit einer starken Leistung in den Bereichen Compliance und Audit. Unser Ziel ist es auch, ein hervorragendes Organisationsklima zu schaffen. Und wir wollen unseren Stakeholdern eine gute Vergütung bieten.
Erinnern Sie sich an einen entscheidenden Moment in der Geschichte der Marke, der diese dynamische Entwicklung verdeutlicht?
Ich könnte einige aufzählen! Der wichtigste Moment für die Marke war zweifelsohne 1996, als das Joint Venture Autolatina aufgelöst wurde. Bis dahin wurden die Lkw und Busse von VW in einem Werk von Ford hergestellt. Da Ford nach der Aufspaltung das Fließband übernommen hat, standen wir am Ende ohne ein solches da. Wir mussten also in aller Eile unser eigenes Lkw- und Buswerk aufbauen. Können Sie sich vorstellen, dass das Werk in Resende in nur 153 Tagen gebaut wurde? Ein weiterer sehr wichtiger Moment ereignete sich 2003. Nach 22 Jahren des Wachstums auf dem Markt erreichten wir die Marktführerschaft in Brasilien. Eine bemerkenswerte Leistung, die wir bis heute beibehalten haben. Unsere Teilnahme am Börsengang der Gruppe war ebenfalls sehr wichtig für unsere Marke. Ich war bei der Zeremonie vor zwei Jahren an der Frankfurter Börse dabei und hatte die Ehre, die Marke Volkswagen Caminhões e Ônibus bei der Geschäftseröffnung zu vertreten, zu der auch das traditionelle Glockenläuten gehörte!
Was waren die größten Herausforderungen auf Ihrem Weg? VWCO ist heute ein Mobilitätsunternehmen, das über 280 Produktvarianten anbietet und in den letzten 40 Jahren weit über eine Million Lkw und Busse produziert hat. Brasilien und die umliegenden Regionen sind keine leicht zu erobernden Märkte, vor allem nicht für einen neuen Akteur, wie es Volkswagen anfangs war...
Eine der größten Herausforderungen bei der Eroberung der Märkte bestand darin, den richtigen Lkw zu finden, der allen Anforderungen von Entwicklungsländern wie Brasilien gerecht wird. Unter diesem Gesichtspunkt haben wir maßgeschneiderte Konzepte nach dem Motto "Weniger will keiner, mehr braucht keiner“ entwickelt, mit modernsten Technologien für unsere anspruchsvollen Kunden. Im Werk Resende haben wir unser weltweites Forschungs- und Entwicklungszentrum für VW-Lkw und -Busse. Der Verkaufserfolg und unsere führende Position für Lkw und Busse in über 30 Ländern sind der Beweis für die Kreativität, die Kompetenz, die Spitzentechnologie und die Zuverlässigkeit unserer Marke.
Welche Art von Lkw und Bussen braucht der brasilianische Markt? Viele Straßen sind nicht in bestem Zustand, die Fahrer müssen sehr abgelegene, weit entfernte Ziele erreichen...
Sie haben Recht. Daher konzentriert sich unsere Forschung und Entwicklung darauf, die besten Transportlösungen zu finden, selbst für die schwierigen Strecken in unserem Land von kontinentaler Größe. Fast 90 Prozent der brasilianischen Straßen sind nicht asphaltiert, und selbst viele asphaltierte Abschnitte sind nicht im besten Zustand. Aber die Agrarwirtschaft, die Industrie und der Handel sind stark, da wir nach wie vor eines der größten Schwellenländer der Welt sind. Deshalb finden Sie hier und im Ausland für jeden Bedarf ein passendes VWCO-Produkt.
VWCO hat schon oft mit anderen Unternehmen der Automobilindustrie zusammengearbeitet. So haben Sie beispielsweise im Werk Resende ein Consórcio Modular gegründet. Was sind die Vorteile dieses besonderen Teamspiels?
Das Werk in Resende hat in der globalen Automobilindustrie Geschichte geschrieben. Wir haben ein modernes Managementkonzept eingeführt, das in den Beziehungen zwischen dem Hersteller und seinen Hauptzulieferern beispiellos ist: das Consórcio Modular, das Modulare Konsortium. In diesem Produktionssystem liefern die Zulieferer nicht nur ihre Teile und Komponenten, sondern sind auch gemeinsam mit uns für den Zusammenbau der Fahrzeuge verantwortlich. Für uns war es wichtig, dass wir in unserem Werk die direkte Beteiligung der Zulieferer haben. Sie sind unsere Partner!
Darüber hinaus hat VWCO ein E-Konsortium mit Partnerunternehmen für Produktion des e-Delivery gegründet. Auch hier war ein Partnerschaftsmodell vielversprechend?
Mit dem E-Konsortium sind wir weit über die Produktion des e-Delivery hinausgegangen: Es ist weltweit das erste Mal, dass eine Marke einen Elektro-Lkw von der Montage über die Ladeinfrastruktur bis hin zum Batterie-Lebenszyklus-Management anbietet und dabei das Engagement der gesamten Lieferkette auf integrierte Weise nutzt. Das E-Konsortium ermöglicht uns einen einfachen Zugang zur elektrischen Technologie bei Nutzfahrzeugen.
Ist das ein Beispiel für eine zeitgemäße Mobilitäts-Strategie? E-Mobilität, autonomes Fahren, alle Arten von digitalen Innovationen prägen die Automobilindustrie von morgen, ein ziemlich komplexer und teurer Trend.
Natürlich machen wir nichts allein. Wir müssen auf die Anforderungen des Marktes achten und die besten Lieferanten kennen, um die Wünsche unserer Kunden zu erfüllen. Ich hatte das Privileg, an der Spitze eines Teams zu stehen, eines "Dream Teams", das in großen Dimensionen denkt und immer wollte, dass die Marke VWCO in der ganzen Welt präsent ist. Dieser Geist, den ich den Geist eines Champions nenne, hilft uns sehr dabei, unsere sicher kühnen Ziele zu erreichen.
Welche Art von Synergieeffekten sehen Sie im Allgemeinen in Partnerschaften?
Wir teilen Investitionen, Technologien und nutzen unser Wissen, um die besten VWCO-Produkte auf den Markt zu bringen. Die Zulieferer sind immer an unserer Seite. Das ist unsere Philosophie seit der Gründung des Consórcio Modular vor 25 Jahren.
Heute ist VWCO Teil des "Markenkonsortiums" TRATON: Welche Vorteile sehen Sie in dieser Partnerschaft?
Die Marken der TRATON-Gruppe sind bereit, gemeinsam zu wachsen und in verschiedenen Bereichen Synergien zu schaffen. Die Gruppe wurde gegründet, um einer neuen Ära des Transportwesens zu begründen, offen für Veränderungen und bereit für kommende Transformationen.
Welche Art von Synergieeffekten erhoffen Sie sich von dieser Partnerschaft?
Der Fokus aller Unternehmen der Gruppe liegt auf der globalen Expansion, der Zusammenarbeit und der Nutzung von Synergien innerhalb der Gruppe – und auch mit externen Partnern – sowie auf der Verfolgung immer neuer Geschäftsmodelle.
Bitte stellen Sie sich den perfekten Lkw der Zukunft vor: Wie würde er aussehen?
In ein paar Worten: sauber, vernetzt und automatisiert. Sicherlich ein Lkw, der Transport und Nachhaltigkeit miteinander verbindet. Aus diesem Grund haben wir vor kurzem die e-Delivery-Lkw auf den Markt gebracht. Wir sind überzeugt, dass der Elektroantrieb im Güter- und Personentransport die effizienteste aller Alternativen ist. Die Energieeffizienz im elektrischen Zyklus erreicht Werte von über 80 Prozent, und im Vergleich zu anderen Optionen, wie etwa der Brennstoffzelle, ist die Effizienz im gesamten Zyklus viel höher.