Frau Mörtberg, als Industrial Engineering Manager bei der Scania Battery Production sind Sie für die Inbetriebnahme der Prozesse und für das Personal in der neuen Batteriemontageeinheit in Södertälje verantwortlich. Ein Geschlechterverhältnis von 50/50 ist das erklärte Ziel bei der Besetzung der Stellen – klappt das mit der Umsetzung der 50/50-Quote? Und ist die 50/50-Quote ist eine große Herausforderung?

Ich bin für die technischen Aspekte in der Produktion der neuen Batteriemontagefabrik zuständig und Teil des Managementteams der Fabrik. In diesem Betriebsleitungsteam haben wir uns gemeinsam ein klares langfristiges Ziel gesetzt: Wir wollen bei diesem Projekt wir eine starke Vision von Vielfalt umsetzen. Ein wesentliches Element dieser Vision ist die Gleichstellung der Geschlechter. Da Vielfalt jedoch ein sehr weit gefasster Begriff ist, müssen wir auch andere Aspekte in diesem Bereich im Blick haben. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass gerade die Fokussierung auf das Thema Geschlechtergerechtigkeit uns auch auf den anderen Feldern der Diversität entscheidend voranbringen wird. Für unsere Unternehmenskultur und die Arbeitsatmosphäre am Standort Södertälje ist es entscheidend, dass alle Mitarbeiter ihre individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften einbringen können und dass jeder er selbst sein kann.

„Unsere Vision einer 50/50 Geschlechterquote ist ein konsequentes, langfristiges Ziel. Wir haben mehrere Initiativen gestartet, die uns auf diesem Weg unterstützen."
Julia Mörtberg, Industrial Engineering Manager bei der TRATON GROUP

Dazu wollen wir ein sicheres Umfeld schaffen – etwa, in dem wir uns alle, sowohl als Einzelpersonen als auch die Teams, weiterentwickeln. Auf diese Weise leisten wir alle einen wichtigen Beitrag, sowohl um unsere Vorstellung von Diversity weiterzuentwickeln als auch um unsere Geschäftsziele deutlich zu verbessern. Denn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich am Arbeitsplatz nicht verstellen müssen, können ihre ganze Kreativität am Arbeitsplatz voll entfalten.

 

Unsere Vision einer 50-50-Geschlechterquote ist ein konsequentes, langfristiges Ziel. Wir haben mehrere Initiativen gestartet, die uns auf diesem Weg unterstützen. Kein Zweifel – derzeit haben wir unser Ziel noch nicht erreicht, aber wir sind auf der Führungsebene und bei der Erhöhung des Frauenanteils an unserer Gesamtbelegschaft (33-34 Prozent insgesamt und 43 Prozent bei den Führungskräften) schon gut vorangekommen. Wichtig aber ist: Wir suchen keine schnelle Lösung, sondern wollen unsere Zahlen beim Frauenanteil an der Gesamtbelegschaft stetig steigern, um ein Niveau zu erreichen, auf dem wir über einen längeren Zeitraum konstant bleiben können. Im Gegensatz zum „Standard“ der Branche mit einem Frauenanteil von etwa 20 Prozent ist Scania aber auf einem sehr guten Weg.

Es ist aber noch Luft nach oben . . .

Ja, richtig, das stimmt. Ich vertraue da auf eine Art Schneeballeffekt. Stellen Sie sich vor, Sie kommen in einen mit Menschen angefüllten Raum und stellen fest: Diese Mischung passt, hier fühle ich mich wohl, hier gehöre ich hin. So sehe ich mich bei Scania. Und als Industrial Engineering Manager bin ich auch diejenige, die diese Entwicklung weitervorantreiben kann. Wir wollen, dass sich unterschiedliche Menschen bei der TRATON GROUP und Scania wohlfühlen.

Je vielfältiger ein Team ist, desto innovativer und erfolgreicher sind seine Ideen – für wie wichtig halten Sie diese Aussage? Und deckt sich diese Aussage mit Ihren Erfahrungen?

Erst einmal: Ich stimme dieser Aussage voll und ganz zu. Doch ein diverses Team ist kein Selbstläufer, es bringt auch Herausforderungen mit sich: Andersartigkeit, Aufgeschlossenheit und ein breites Spektrum innovativer Gedanken erzeugen einen gewissen Druck innerhalb des Teams. Denn mit unterschiedlichen Aspekten und Erfahrungen werden auch ganz unterschiedliche Meinungen artikuliert – und das erfordert einen sehr offenen Dialog und absolute Transparenz innerhalb des Teams. Die Führung dieser unterschiedlichen Strömungen und der Blick auf das Team als Gesamtheit erfordern sehr viel Aufmerksamkeit. Wenn uns dieser Balanceakt gelingt und wir es schaffe, dass sich alle Kolleginnen und Kollegen optimal einbringen – dann werden wir in Zukunft noch innovativer und produktiver und somit wirtschaftlich erfolgreicher sein.

Seit 2022 im Einsatz: Das neue 1.000 Quadratmeter große Batteriemontagewerk ist ein Meilenstein auf unserem Weg zur Elektrifizierung.
Scanias Batteriemontagewerk in Södertälje

Wenn sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unabhängig von ihrem Hintergrund, eingeschlossen und wertgeschätzt fühlen sollen und alle Teammitglieder sich vorurteilsfrei begegnen, dann setzt das das Engagement jeder Einzelnen und jedes Einzelnen voraus. Wie gelingt das in der täglichen Praxis? Mit welchen Tools und Programmen kann die Aufmerksamkeit für das Thema Diversität bei den Mitarbeitenden geweckt werden?

In der Batterieproduktion bei Scania arbeiten wir täglich mit einem sogenannten Work Balance Tool, das den offenen Dialog innerhalb unserer Teams orchestriert und möglich macht. Mithilfe dieses Tools wird es einfacher, vor allem mögliche Bedenken oder Sorgen schnell und unmittelbar anzusprechen – lange bevor es überhaupt zu möglichen Problemen kommt. Ziel ist es, dass sich die Teammitglieder mithilfe des Tools generell für das Thema Diversity öffnen und die Mitteilungen ihren Kolleginnen und Kollegen ernst nehmen und zuhören. Alle Unternehmensbereiche von Scania können dieses Dialoginstrument übrigens nutzen.

Zudem haben wir ein Team, das sich speziell auf die Unterstützung unserer organisatorischen Abläufe konzentriert und nach Wegen sucht, wie die Teams bei der Steigerung der Effizienz unterstützt werden können. Beispielsweise, indem wir mit „Skill Capture“ arbeiten und so das Bewusstsein für Diversity im Unternehmen entwickeln. Das Skill Capture Team organisiert Schulungen und hilft uns dabei, den Blick darauf zu konzentrieren, wie alle Kolleginnen und Kollegen ihre Fähigkeiten optimal einbringen können. Schon heute hat uns dieses geschärfte Bewusstsein dabei unterstützt, besser Entscheidungen im Sinne des Unternehmens zu treffen.

Julia Mörtberg Header Option 2
Vor ihrem Einsatz als Industrial Engineering Manager war sie als Head of Project Department zuständig für die Entwicklung von Produkten und Produktionsstrukturen innerhalb der Scania Gruppe.

Welche Unterstützung gibt es, um vor allem junge Frauen zu ermutigen, ihre Ausbildung in ihrem technischen oder wissenschaftlichen Beruf fortzusetzen?

Wir nutzen bei Scania mehrere Mentorenprogramme sowohl für weibliche Mitarbeiter als auch für Manager, die von weiblichen Mitarbeitern als Mentoren betreut werden. Mir gefällt dieses Konzept sehr gut, da sie den Dialog zwischen dem höheren Management und den jüngeren weiblichen Angestellten ganz direkt möglich macht. Meiner Meinung nach ist es eine sehr wichtige Ausrichtung, dass sich die Frauen nicht verändern müssen, sondern der Blickwinkel im Management erweitert werden muss. Schließlich geht es darum, dass das Management verstehen muss, welche Strategien in Bezug auf Unternehmenskultur und Führung zu entwickeln sind, um neue talentierte Mitarbeiterinnen von einer Berufslaufbahn in der TRATON GROUP zu begeistern – und später auch halten können. Übrigens: Führungskräfte, die an diesem Programm teilnehmen, möchten sehr oft von einer jüngeren Kollegin gecoacht werden, damit sie künftig in ihrem Bereich tatsächlich etwas verändern können. Reverse Mentorship wird dieses Programm genannt.

Wie ist es um den Wissenstransfer bestellt? Können jüngere und ältere Kollegen voneinander lernen?

Um einen erfolgreichen Wissenstransfer zu gewährleisten, ist es wichtig, dass sich alle kennen und jeder weiß, wer ihm bei seinen Fragen helfen oder ihn unterstützen kann. Deshalb gibt es bei Scania seit einiger Zeit ein spezielles Einführungsprogramm für jeden Neuankömmling, das neuen Kollegen beim Onboarding hilft. Dazu gehört auch das Kennenlernen der Arbeitsabläufe an den verschiedenen Standorten – zum Beispiel, wer was in der Batterieproduktion macht und wie die Logistik funktioniert. Dieses Wissen bietet Ansatzpunkte, um mit Hilfe unterschiedlicher Perspektiven und Kompetenzen eine gemeinsame Aufgabe erfolgreich zu bewältigen. Und dann arbeiten wir an einem Förderprogramm, das hilft, die individuelle Entwicklung der Kollegen zu fördern und damit die Kompetenz des gesamten Teams zu stärken.

Was hat Sie dazu bewogen, eine Karriere im Wirtschaftsingenieurwesen und speziell im Bereich der Batterieproduktion einzuschlagen?

Zu Beginn meines Studiums hatte ich keine bestimmte Richtung vor Augen. Ich fand die Ausbildung sehr interessant, und das gab mir den Anstoß, auch nach einem ersten Job in dieser Richtung zu suchen. Danach hatte ich die Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln. Ich habe neue Möglichkeiten bekommen, die mich zu interessanten Aufgaben geführt haben. Die Batterieproduktion ist ein neuer und sehr wichtiger Bereich für unser zukünftiges Wachstum, und das war einer von vielen Faktoren, die mein Interesse an einer Mitarbeit in diesem Team geweckt haben. Die Technologie ist eine Sache, aber die klare Vision der Vielfalt und die Möglichkeit, parallel dazu eine völlig neue Organisation aufzubauen, war definitiv eine Erfahrung, die ich unbedingt machen wollte.

„Ich habe mir auch oft die Frage gestellt: Gehöre ich eigentlich hier hin? Heute kann ich sagen: Natürlich gehöre ich hier hin. Frauen müssen ihren Platz in der Wirtschaft einnehmen – dann wird es nicht nur für sie selbst gut sein, sondern auch für das jeweilige Unternehmen."
Julia Mörtberg, Industrial Engineering Manager bei der TRATON GROUP

Welchen Rat würden Sie anderen Frauen geben, die trotz der Herausforderungen, die eine von Männern dominierte Branche mit sich bringt, in den Bereich der Industrietechnik und Batterieproduktion einsteigen oder sich dort profilieren wollen?

 

Erst einmal: Frauen können zum Erfolg eines Unternehmens genauso viel beitragen wie Männer. Deshalb ist es wichtig, alle Frauen zu ermutigen, sich in diesem Bereich zu engagieren.  Mein Tipp: Frauen, sucht Euch Unterstützung, wenn Ihr Bedenken habt. Es gibt viele Führungskräfte bei der TRATON GROUP, sowohl Frauen als auch Männer, die diesen Wandel mitgestalten wollen. In meinem Berufsleben war ich oft "die einzige Frau im Raum" und ich habe mir deshalb auch oft die Frage gestellt: Gehöre ich eigentlich hier hin? Heute kann ich sagen: Natürlich gehöre ich hier hin und das gilt auch für alle anderen Frauen in dieser Industrie.

 

Gibt es Erfolgsgeschichten oder bemerkenswerte Leistungen, auf die Sie während Ihrer bisherigen Tätigkeit besonders stolz sind? Können Sie bestimmte Initiativen oder Programme hervorheben, die Sie zur Förderung von Vielfalt und Inklusion bei Scania Battery Production umgesetzt haben?

 

Ganz klar – Ich bin natürlich sehr stolz auf das Team und das, was wir im Bereich Industrial Engineering in der Batterieproduktion aufgebaut haben. Und wir haben einen großartigen Teamgeist geschaffen. Natürlich wissen wir auch, dass die Technologie neu ist und dass wir in gewisser Weise Neuland betreten. Wir wissen nicht alles, aber unser Engagement und unsere Entschlossenheit sind sehr groß. Und wir sind bereit, von anderen Kollegen und vom Entwicklungsprozess der neuen Produktionsstruktur zu lernen.

 

In den vergangenen sechs Monaten haben wir zum Beispiel ein Frauennetzwerk für alle Beschäftigten in der Batterieproduktion ins Leben gerufen.

 

Ich bin sehr stolz auf die Teams, die wir entwickelt haben, und auf die einzelnen Mitarbeiter in der Batterieproduktion. Wir haben unsere langfristigen Ziele zum Thema Gleichstellung noch nicht erreicht; aber ich denke, wir haben eine Basis geschaffen, auf der wir uns sicher fühlen können und auf der Unterschiede akzeptiert werden. Wir nutzen unsere Unterschiede und helfen uns gegenseitig. Das ist es, was unsere Arbeit auszeichnet. Ich denke, dass sowohl Frauen als auch Männer von dieser Entwicklung profitieren werden.