Der Wechsel von Verbrennungs- zu Elektromotoren ist in Wirklichkeit nicht einfach. Es reicht nicht aus, batteriebetriebene Elektrofahrzeuge (BEV) zur Verfügung zu stellen. Denn es handelt sich nicht um eine 1:1-Antriebswende, sondern es ist vielmehr ein Epochenwandel, der alle Spielregeln des bisherigen Transportsektors radikal verändert – und damit zugleich innovative Geschäftsmodelle und damit neue Chancen eröffnet. „Wir erleben einen fundamentalen Wandel in der Automobilindustrie hin zu Null-Emissions-Fahrzeugen – das schließt die Nutzfahrzeuge ein. Diese Veränderung bezieht sich aber nicht nur auf den Antrieb, sondern verändert auch das Geschäftsmodell selbst: weg von einem reinen Fokus auf Hardware, hin zu einem kundenzentrierten Service-Modell“, sagt Anna Herlt. Sie ist Senior Partner bei McKinsey in München und Spezialistin für die Automotive- und Truck-Industrie.

Weg vom Besitzen, hin zum Nutzen auf Zeit

Wie in nahezu allen Feldern der modernen Ökonomie geht auch in der Transportbranche der Trend weg vom Eigentum hin zu effizienter Nutzung und ökonomisch sinnvollen Lösungen. Das zeigt sich auch in der globalen Automobilindustrie in einer Verlagerung hin zu Lösungen, ein Trend, der vor Jahren mit Autoleasing und Carsharing begonnen hat.

Der Trend zu neuen Technologien und Lösungsangeboten veranlasst auch große Lkw-Hersteller wie die TRATON GROUP, sich anzupassen. Es reicht nicht mehr aus, nur emissionsarme Fahrzeuge zu produzieren, sondern die Kunden verlangen von den Herstellern neuartige Lösungspakete und Nutzungsmöglichkeiten – ein Trend, der auch in Zukunft anhalten wird.

Derzeit stellen die höheren Anschaffungskosten von Elektrofahrzeugen eine große Herausforderung für die Verkehrsunternehmen dar, die es zu bewältigen gilt. Andere Akteure haben sich in der Vergangenheit schwergetan, passende Lösungen zu entwickeln, da das Marktvolumen und die speziellen Finanzierungsanforderungen ihre Kapazitäten überstiegen. Und auch klassische Banken straucheln, das veränderte Geschäftsmodell mit teureren Trucks, einem höheren Restwert und dem Second Life von Batterien einzupreisen. Gerade das eröffnet neuen Playern neue Chancen.

TFS Infografik DE
Mit der Bündelung der Finanzdienstleistungen kann die TRATON GROUP ihre Nutzfahrzeugmarken Scania, MAN, Navistar und Volkswagen Truck & Bus künftig noch besser unterstützen. TRATON Financial Services ermöglicht beim Hochlauf der Elektromobilität im Transportverkehr individuelle Angebote für die Kunden der TRATON-Marken.

Einer davon ist gleichzeitig Start-up und alter Hase: Zum 1. April 2023 nahm mit TRATON Financial Services eine gruppenweite und integrierte Geschäftseinheit für Finanzdienstleistungen ihre Arbeit auf. Unter der Führung von Johan Haeggman, von April 2015 bis März 2022 CFO von Scania, entwickelt TRATON Financial Services seitdem umfassende Leistungen im Bereich Kundenfinanzierung, um die Nachfrage nach neuen Technologien und Geschäftsmodellen zu bedienen. Bereits zu seiner Zeit als CFO bei Scania hatte Johan Haeggman zahlreiche Erfahrungen im Bereich konzerneigene Finanzdienstleistungen – dem sogenannten Captive Financing – gesammelt.

Captive Financing unterstützt die Mobilitätswende

Christian Levin, Vorstandsvorsitzender der TRATON GROUP, sagt: „Mit der Gründung von TRATON Financial Services beschleunigt die TRATON GROUP den Wandel zum weltweit führenden Anbieter von nachhaltigen und vollständig vernetzten Transportlösungen und zum echten Partner für die Kunden aller unserer Marken. Mit diesem Schritt erreichen wir auch einen weiteren Meilenstein in der Transformation der TRATON-Holding, in der wir Schlüsselelemente aller Marken zum Vorteil der Gruppe bündeln.

Captive Financing gab es bei den Marken der heutigen TRATON GROUP schon vorher: So waren Scania Financial Solutions sowie MAN Financial Services zusammen mit Volkswagen Financial Services bereits seit längerem am Finanzierungsmarkt aktiv. Unter der einheitlichen Führung durch TRATON Financial Services hat dieses Geschäftsmodell aber deutlich an Durchschlagskraft und Servicequalität für die Kunden gewonnen. Und mit Navistar Financial kann nun auch im nordamerikanischen Markt eine Finanzierung aus eigener Hand angeboten werden, VWTB wird folgen.

Das Captive Financing, das das Team um Johan Haeggman für die TRATON GROUP nun am Markt etabliert, ist in erster Linie eines: maximal kundenzentriert. „Die konzerneigene Finanzierung ist eine weitere Möglichkeit, Kunden zu bedienen, und in unserem Business-to-Business-Umfeld geht es in hohem Maße um Kundenbeziehungen“, sagt der CEO von TRATON Financial Services Haeggman. Im Unterschied zu herkömmlichen Banken oder Finanzierungsdienstleistern kennt TRATON die Geschäftsmodelle und Herausforderungen der Transportunternehmen im Detail und kann sich mit seinen Lösungen auf genau diese Branche fokussieren.

Headshot Christian Levin

„Mit der Gründung von TRATON Financial Services beschleunigt die TRATON GROUP den Wandel zum weltweit führenden Anbieter von nachhaltigen und vollständig vernetzten Transportlösungen und zum echten Partner für die Kunden aller unserer Marken.“

Christian Levin, CEO der TRATON GROUP,

Haeggman nennt ein Beispiel: „Wir können dem Kunden auch andere Arten von Produkten anbieten. Es ist nicht unbedingt immer ein Leasing oder so etwas, aber wir haben zum Beispiel starke saisonale Schwankungen in unserem Geschäft. Wir können ein Zahlungsschema über das Jahr hinweg anbieten, bei dem die Zahlungen in bestimmten Monaten bei null liegen und in anderen Monaten auf einem höheren Niveau. Das passt sich jeweils an den Geschäftszyklus der Kunden an.“

Gerade die Logistikunternehmen, die mit ihren Dienstleistungen das Rückgrat moderner Volkswirtschaften bilden, stehen unter Druck angesichts der notwendigen Mobilitätswende. Die Margen in der Transportbranche sind traditionell knapp. Vor diesem Hintergrund müssen massive Investitionen sorgfältig abgewogen werden, insbesondere aufgrund des bevorstehenden Investitionsbedarfs infolge der heute höheren Kosten für die Anschaffung von BEV-Lkw. Laut Haeggman sind die Kosten aufgrund der Notwendigkeit von Hochleistungsbatterien und der anfänglich geringen Stückzahlen besonders hoch, was zu einem Anstieg des Kaufpreises von Elektro-Lkw um den Faktor 2,5 bis 3 führt. Haeggman: „Das bedeutet, dass die Bilanz gerade vieler kleinerer und mittlerer Unternehmen ziemlich belastet wird. Und das vor dem Hintergrund der sehr geringen Gewinnspannen im Transportwesen. Sie müssen also die Fahrzeuge in Betrieb haben, aber wenn sie sie auch in der Bilanz haben, ist das für viele Kunden ein weiteres finanzielles Risiko.“

Headshot Johan Haeggman

„Wir können dem Kunden auch andere Arten von Produkten anbieten. Es ist nicht unbedingt immer ein Leasing. Wir haben zum Beispiel starke saisonale Schwankungen in unserem Geschäft. Wir können ein Zahlungsschema über das Jahr hinweg anbieten, das sich dem Geschäftszyklus der Kunden anpasst.“

Johan Haeggman, CEO der TRATON Financial Services,

Und er fährt fort: „Wenn wir über neue Geschäftsmodelle sprechen, geht es im Kern darum: Wie kann ich mehr Truck-as-a-Service bekommen, wenn ich ein Fahrzeug brauche? Wie kann ich mein Anlagevermögen auslagern?“

Auf dem Weg zum Pay-per-Use

Auch in der heutigen Logistikwelt stehen viele Lastwagen. Nicht im Stau, sondern auf Parkplätzen oder auf dem Hof, weil sie just in diesem Moment nicht benötigt werden. Dies führt häufig dazu, dass der Verkehr zu einem wirtschaftlich ineffizienten und kostspieligen Zustand der Unbeweglichkeit wird. Haeggman prophezeit daher: „Es wird auch zu einer Situation kommen, in der ein Kunde das Fahrzeug nicht mehr für 24/7 benötigt und erwirbt, sondern es nur noch für acht Stunden am Tag benötigt. Dann sagen wir bei TRATON Financial Services: O. K., gut, du zahlst auch nur noch für acht Stunden pro Tag. Unser Risiko ist natürlich, dass die Fahrzeuge in den restlichen 16 Stunden nicht genutzt werden. Aber wir haben die Möglichkeit, sie an jemand anderen zu vermieten, der sie nutzt. Vielleicht nicht 24 Stunden am Tag oder sieben Tage die Woche, aber auf jeden Fall eine gewisse Zeit. Das ist Truck-as-a-Service in Reinform.“