Die Bundesregierung hat kürzlich den Aufbau des ersten E-Lkw-Ladenetzes in Deutschland beschlossen. 350 Standorte sollen im September 2024 ausgeschrieben werden. Mit dieser Initiative, angestoßen vom Bundesverkehrsministerium (BMDV) und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), soll eine „flächendeckende, bedarfsgerechte und nutzerfreundliche Ladeinfrastruktur“ geschaffen werden. Ziel ist es, die schnelle Markteinführung schwerer BEVs (Battery Electric Vehicles) zu erleichtern.

Die Lkw-Ladestationen sollen entlang deutscher Autobahnen errichtet werden, zusätzlich zu den geplanten Ladeparks für Pkw. Mit dem Masterplan Ladeinfrastruktur II hat die Bundesregierung Maßnahmen zum erstmaligen Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Elektro-Lkw beschlossen, darunter ein Schnellladenetz nach dem Megawatt Charging Standard (MCS).

Die EU-Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR, Alternative Fuels Infrastructure Regulation) sieht unter anderem den Aufbau einer öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge vor. Deutschland hinkt bei der Umsetzung dieser Verordnung hinterher. Wie ist der aktuelle Stand?

Seit April 2024 sind die Mitgliedstaaten durch neue EU-Vorschriften verpflichtet, BEV-Ladestationen bereitzustellen. Dies geschieht im Einklang mit der AFIR, die den EU-Mitgliedstaaten verbindliche Ziele vorgibt. Diese Ladestationen müssen spätestens bis 2030 alle 60 Kilometer auf den Hauptverbindungen des Transeuropäischen Netzes (TEN-T) und alle 100 Kilometer auf den Nicht-Hauptverbindungen des TEN-T eingerichtet werden.

In Deutschland müssen bis 2025 mindestens 32 öffentliche Lkw-Ladestationen entlang der wichtigsten Autobahnen des Landes errichtet werden, bis 2027 sollen es 104 sein und mindestens 314 bis zum Jahr 2030. Nach anfänglichen Verzögerungen beim Aufbau des öffentlichen Ladenetzes in Deutschland geht es nun voran, wie die in diesem Monat startende Ausschreibung für ein erstes E-Lkw-Ladenetz an 350 Standorten zeigt.

Wie soll das neue Ladenetz aufgebaut werden?

Die Lkw-Ladestationen werden entlang der Bundesautobahnen errichtet und ergänzen die geplanten Ladeparks für Elektro-Pkw. In ihrem Masterplan Ladeinfrastruktur II hat die Bundesregierung erstmals konkrete Maßnahmen für Elektro-Lkw aufgenommen und damit den Aufbau dieser wichtigen Infrastruktur sichergestellt. Dieser Plan sieht auch den Aufbau eines Schnellladenetzes für E-Lkw entlang der Bundesstraßen vor, der allerdings ein Jahr später als ursprünglich geplant beginnt. Im Haushalt 2024/25 wurden insgesamt 2,1 Milliarden Euro für die erste Ausschreibungsrunde und die Finanzierung der Netzanschlüsse für die Ladeinfrastruktur für Pkw und Lkw bereitgestellt.

Die Lkw-taugliche Schnellladeinfrastruktur wird 4.200 Ladepunkte an 350 Standorten umfassen, davon 220 überwachte und mit einer Dienstleistungsstruktur versehene und 130 nicht überwachte und automatisierte Standorte. Davon werden 1.800 Ladepunkte dem MCS-Standard entsprechen und eine maximale Ladeleistung von mindestens einem Megawatt haben. Dies ist deutlich mehr als die AFIR vorschreibt, die allerdings für kommerzielle BEVs von Experten als unzureichend angesehen wird.

Zusätzlich werden 2.400 Ladepunkte das bereits bestehende Combined Charging System (CCS) nutzen, das auch für Pkw geeignet ist und das Laden von Lkw über Nacht unterstützt. Aufgrund eines laufenden Gerichtsverfahrens werden die Arbeiten aber zunächst an nicht bewirtschafteten Rastplätzen beginnen.

Warum ist es so wichtig, dass Deutschland eine öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur entwickelt?

Deutschland ist der wichtigste Verkehrsknotenpunkt in Europa. Seine zentrale Lage und sein gut ausgebautes Straßennetz machen die Bundesrepublik zu einem bedeutenden Akteur in der kontinentalen Logistik. Zahlreiche Lkw durchqueren das Land auf ihrem Weg von Nord nach Süd oder von West nach Ost, um Waren durch ganz Europa zu transportieren. Tatsächlich entfallen über 43 % der von Lkw in Deutschland zurückgelegten Strecke auf nicht deutsche Fahrzeuge. Wenn diese Lkw auf ihrem Weg durch das Land nicht aufgeladen werden können, stehen E-Trucks vor großen Herausforderungen.

Im Zuge der Elektrifizierung des Transportsektors ist es gerade für Deutschland von entscheidender Bedeutung, ein robustes Ladenetz für schwere Nutzfahrzeuge aufzubauen. Es unterstützt nicht nur den eigenen Bedarf, sondern stellt auch sicher, dass internationale Lkw weiterhin effizient genutzt werden können, während gleichzeitig ihre Auswirkungen auf die Umwelt reduziert werden.

Was muss bei der Ausschreibung eines Lkw-Ladenetzes konkret beachtet werden?

Der Aufbau eines Schnellladenetzes für Lkw umfasst zwei entscheidende Schritte. Erstens muss das Stromverteilungsnetz ausgebaut werden, was mit dem Antrag von Netzanschlüssen durch die Netzbetreiber beginnt. Zweitens müssen Ladestationen errichtet werden, was durch Ausschreibungen zur Finanzierung gestartet wird.

Um Verträge für diese Netzanschlüsse zu bekommen, müssen geeignete Standorte ermittelt werden. Die jeweiligen Unternehmen testen und implementieren dann die notwendige Infrastruktur an diesen Standorten. Für die ersten Standorte sind bereits Aufträge für den Netzanschluss erteilt worden.

Entscheidend bei all dem ist, dass die Netzbetreiber frühzeitig ins Boot geholt werden. Je früher die Energiewirtschaft in die Planung einbezogen wird, desto schneller können die Netzanschlüsse bereitgestellt werden. Durch diese frühzeitige Einbindung wird sichergestellt, dass der Netzausbau an rund 350 Standorten von Anfang an alle notwendigen Anforderungen erfüllt.

Sind Sie mit den gegenwärtigen Fortschritten in Deutschland als wichtigem Transitland zufrieden?

Das derzeitige Stromnetz hierzulande ist leider noch nicht robust genug; zudem steht nicht genug grüne Energie zur Verfügung, was das Wachstum im Markt der kommerziellen BEVs begrenzt. Dieses Problem kann nur mit intensiver und schneller Unterstützung durch die Politik gelöst werden. Die jüngste Entscheidung der deutschen Regierung, mit dem Aufbau eines ersten E-Lkw-Ladenetzes zu beginnen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Bis 2030 muss jedoch ein öffentliches Schnellladenetz mit möglichst vielen MCS-Ladepunkten aufgebaut werden, damit zum Beispiel E-Lkw während ihrer obligatorischen 45-minütigen Ruhepausen auf Langstreckenfahrten aufladen können.

Dirk Höke, TRATON Head of Governmental Relations bei der TRATON GROUP

„Die jüngste Entscheidung der deutschen Regierung, mit dem Aufbau eines ersten E-Lkw-Ladenetzes zu beginnen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Bis 2030 muss jedoch ein öffentliches Schnellladenetz mit möglichst vielen MCS-Ladepunkten aufgebaut werden.“

Dirk Höke, Head of Governmental Relations bei der TRATON GROUP

Welche Schritte sind noch erforderlich und wie geht es weiter?

Wir müssen verstärkt das Laden in den Depots in den Fokus nehmen, da dies die erste Erfahrung der meisten unserer Kunden mit E-Lkw sein wird. Das Laden im Depot wird zunächst die wichtigste Option sein – nicht nur für den Nah- und Regionaltransport, sondern auch für den Fernverkehr, da die Lkw ihre Fahrten voll aufgeladen vom Depot aus antreten werden. Dies wird für die nahe Zukunft besonders wichtig sein, da der Aufbau eines flächendeckenden, öffentlich zugänglichen MCS-Netzes in ganz Europa noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

Wir sind uns der Herausforderungen bewusst. Da sind zum einen die Kosten für die Kunden, zum anderen der Platzbedarf in den Depots und schließlich die Fähigkeit der lokalen Energieversorger, die notwendigen Netzanschlüsse bereitzustellen. Die derzeitige AFIR-Verordnung, die sich auf Ladestationen entlang der TEN-T-Netze konzentriert, ist für den Bedarf an Ladestationen in Depots leider nicht sehr hilfreich.

Bei der raschen Entwicklung der Transportbranche hin zu mehr Nachhaltigkeit wird TRATON Charging Solutions, unter der Leitung von Geschäftsführerin Petra Sundström, eine entscheidende Rolle spielen. Diese innovative Dienstleistungsgesellschaft unter dem Dach der TRATON GROUP widmet sich der Vereinfachung des kommerziellen batterieelektrisch angetriebenen Verkehrs durch zuverlässige Ladeangebote. Wir haben uns auch zum Ziel gesetzt, unsere Erfahrungen mit Kollegen außerhalb Europas zu teilen. Letztlich wollen wir auch in anderen Regionen erfolgreich sein, indem wir uns an die lokalen Vorschriften sowohl für das Laden auf dem Betriebshof als auch im öffentlichen Raum anpassen.