Effizienz und Anpassungsfähigkeit sind die Eckpfeiler der Modularisierung. Sie beinhaltet die Einführung einer Bauteilserie mit standardisierten Schnittstellen je Funktion und die Anpassung von Leistungsstufen innerhalb einer bestehenden Bauteilserie unter Beibehaltung dieser Schnittstellen. Das Erfolgsrezept der Modularisierung liegt folglich in der bedarfsgerechten Optimierung von Leistungsstufen – ein entscheidender Unterschied zum Einsatz von Standardkomponenten von Zulieferern oder dem alleinigen Ziel einer insgesamt reduzierten Teilezahl.   

Aus Produktsicht sind die Überschneidungen zwischen Personenkraftwagen (Pkw) und Nutzfahrzeugen erstaunlich gering – aus diesem Grund hat sich der Volkswagen Konzern auch gegen die Entwicklung einer konzernweiten Baukastenlösung entschieden. Im Vergleich zum Pkw ist die Anzahl der Individualisierungsmöglichkeiten bei Nutzfahrzeugen deutlich höher. 

Pkw und Lkw – die wichtigsten Unterschiede 

Doch was sind nun die Hauptunterschiede zwischen Autos und Nutzfahrzeugen? Pkw sind für den Massenmarkt konzipiert und werden in hohen Stückzahlen verkauft. Ein großer Automobilhersteller kann von einem beliebten Modell etwa eine Million Fahrzeuge pro Jahr verkaufen, beim Lkw sind es im selben Zeitraum gut 100.000 Fahrzeuge. Außerdem müssen Automobilhersteller schnell auf sich ändernde Markttrends und Kundenwünsche reagieren und ihre Pkw folglich in mehreren Modellreihen und Varianten anbieten. Da der Wunsch nach individueller Mobilität, Komfort und Fahrerlebnis im Mittelpunkt der automobilen Produktion liegt, verfügen diese Modellkonstruktionen im Vergleich zu Nutzfahrzeugen in der Regel über weniger Anpassungsmöglichkeiten. Aufgrund dieser Gegebenheiten sind bei Personenkraftwagen standardisierte Abläufe und modulare Plattformen nötig, um Skaleneffekte zu erzielen und gleichzeitig die Markteinführung neuer Modelle durch Harmonisierung der Entwicklungsschritte zu beschleunigen.

Im Gegensatz dazu sind Nutzfahrzeuge in erster Linie für den kommerziellen Einsatz konzipiert – und müssen ein bestimmtes Leistungsniveau aufweisen, um gewinnorientierte Aufgaben zu unterstützen und umzusetzen. Aus diesem Grund muss ihr Grad an Modularität weitaus höher sein. Anders als Personenkraftwagen, die in der Regel täglich nur eine Stunde über die Straßen rollen, ist die Betriebszeit bei Nutzfahrzeugen hingegen extrem wichtig, da sie für ihre Besitzer „Geld verdienen“ müssen. Nutzfahrzeuge legen mehr als 300.000 Kilometer pro Jahr zurück, einige Lkw sind sogar im Dauerbetrieb und stellen den Motor nur an der Tankstelle ab. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Pkw fährt zwischen 15.000 bis 30.000 Kilometer pro Jahr.  

Mithilfe der Modularisierung, dem Einsatz standardisierter Schnittstellen und ausgewogener Leistungsstufen, können Nutzfahrzeughersteller eine breite Palette hochgradig flexibler und maßgeschneiderter Lösungen anbieten, um die spezifischen Anforderungen der Kunden in verschiedenen Regionen und Branchen – von der Logistik- bis hin zur Bauwirtschaft – zu erfüllen. Dabei ermöglicht das Wissen, wo sich Leistungsanforderungen überschneiden, die Wiederverwendung der Komponenten. So lassen sich beträchtliche Skaleneffekte erzielen und gleichzeitig ist ein extrem hohes Maß an Individualisierung möglich.   

Die TRATON GROUP nutzt ihr eigenes TRATON Modular System (TMS), um die Anforderungen ihrer Kunden in technische Lösungen umzusetzen. Dazu werden Bedürfnis-Cluster identifiziert, die mit den entsprechend richtigen Lösungen erfüllt werden können. „Aus technologischer Sicht ist das Herzstück des TRATON Modular Systems die Umsetzung von Kundenanforderungen in technische Lösungen unter Verwendung einer ausgefeilten Benutzer-Faktor-Methodik und der vorrangigen Standardisierung von Schnittstellen“, sagt Martin Björklund, Product Strategy Modularization bei der TRATON GROUP. 

Flexibilität beim Design kombiniert mit der Fähigkeit zur Anpassung und dem Fokus auf technische Anforderungen 

In Sachen Design und technische Anforderungen orientieren sich Pkw an den allgemeinen Verbraucherpräferenzen, indem sie durchschnittlich 12 bis 15 verschiedene Kundenpersönlichkeiten zusammenfassen; Nutzfahrzeuge hingegen sind für spezifische kommerzielle Anforderungen ausgelegt.  

Bei ihrer Kaufentscheidung wägen Pkw-Kunden eine Vielzahl von Faktoren ab – darunter Kriterien wie Ästhetik, Komfort, Infotainmentsysteme und Fahrleistung. Darüber hinaus kann die Effizienz des Antriebsstrangs durch die Anpassung an die Vorlieben der Verbraucher verbessert werden.  

Bei Nutzfahrzeugen müssen hingegen neben den Anforderungen an Lebensdauer und Betriebszeit auch innovative Technologien wie Telematik, Fahrassistenzsysteme und Konnektivitätslösungen (die auf die Bedürfnisse von Flottenmanagement und Logistik ausgerichtet sind) nahtlos integriert werden. Dieser modulare Ansatz macht es möglich, die Konfiguration eines Fahrzeugs an verschiedene Anwendungsfälle anzupassen – etwa, indem skalierbare Antriebsstränge, verstärkte Fahrzeugrahmen für verschiedene Arten der Ladung und Lebenszyklusanforderungen sowie spezielle Ausrüstungsinstallationen verwendet werden. Zudem können die Ladeflächen an die verschiedenen technischen Spezifikationen angepasst werden – auf diese Weise passt jedes Fahrzeug perfekt in das vorgesehene Einsatzgebiet.

Platzierung und Management der Batterien 

Bei batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen (BEVs) sind außerdem eine effektive Platzierung der Batterien und deren Management von entscheidender Bedeutung für die Optimierung von Leistung und Effizienz. Diese sind bei einem BEV-Pkw entscheidende Kriterien für die Steigerung von Raumeffizienz, Gewichtsverteilung und Fahrdynamik. Deshalb positionieren die Automobilhersteller die Batterien so, dass der Schwerpunkt gesenkt wird und demzufolge Stabilität und Fahrverhalten des Fahrzeugs verbessert werden. Dadurch vergrößert sich auch der Innenraum, Komfort und Funktionalität verbessern sich. Modulare Batteriepakete ermöglichen unterschiedliche Reichweiten und Leistungsstufen, um den verschiedenen Vorlieben beim Fahren gerecht zu werden.  

Bei BEV-Lkw haben Platzierung und Management der Batterien jedoch andere Prioritäten. So ermöglicht die modulare Bauweise der Batterien bei Nutzfahrzeugen eine einfache Skalierbarkeit, um verschiedene Anforderungen zu erfüllen, wie zum Beispiel Radkonfigurationen (etwa zusätzliche Vorderachsen, Tandem-Antriebsachsen, Achtradfahrzeuge, Zusatzausrüstung). Das ermöglicht eine einfache Wartung und erleichtert bei Bedarf den Austausch. Die Batterien werden in das Fahrzeug eingebaut, um den Laderaum oder die Reichweite zu maximieren, die Gesamtstabilität des Fahrzeugs aufrechtzuerhalten oder, je nach Anwendungsfall, um Platz für große Fahrzeugteile wie Kräne oder Müllpressen zu schaffen. Abhängig vom Einsatzzweck und vom Platzbedarf für die Ladung werden die Batterien üblicherweise an der Seite des Fahrgestells oder im Rahmen – und bei Bussen auf dem Dach – untergebracht.

Die Infografik vergleicht Personenkraftwagen (Pkw) und Nutzfahrzeuge hinsichtlich Produktionsvolumen, Platzierung von Elektrofahrzeugbatterien, Lebenszykluskosten und Flexibilität. Der Text beschreibt die Unterschiede in den genannten Kategorien. Unten sind zwei Motorbilder und technische Symbole abgebildet.

Lebenszykluskosten 

Bei beiden Fahrzeugtypen spielen Kostenüberlegungen eine wichtige Rolle. Der Blick aufs Geld wirkt sich auf alle weiteren Aktivitäten aus, von der anfänglichen Kaufentscheidung bis hin zur langfristigen Betriebseffizienz und Wertbeständigkeit. Im Bereich der Nutzfahrzeuge liegt der Schwerpunkt auf der Betrachtung der Gesamtwirtschaftlichkeit (Total Operational Economy, TOE), hinzu kommen dann noch die Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership, TCO), die die Fahrzeugleistung vor dem Hintergrund der unternehmerischen Absicht, Einnahmen zu erzielen, betrachten. Dies macht die bedarfsgerechte Anpassung der Fahrzeuge an die spezifischen Einsatzzwecke noch dringlicher. Der Anschaffungspreis muss wettbewerbsfähig bleiben, während die Wartungskosten, die Effizienz des Antriebs, die Betriebsausfallzeiten und ein solider Kundendienst wichtige Aspekte bleiben.  

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass ein Nutzfahrzeug für seine gesamte Lebensdauer optimal ausgelegt wird, wobei sich die jeweiligen Komponenten nach ihrem ersten Einsatz möglicherweise in späteren „Second-Life“-Anwendungen wiederverwenden lassen. Die Modularisierung unterstützt diese Anforderungen, indem sie schrittweise Upgrades gegenüber kompletten Neukonstruktionen fördert. Modulare Komponenten wie Motoren, Getriebe und Achsen können schnell ausgetauscht oder aufgerüstet werden, um die Lebensdauer eines Fahrzeugs zu verlängern und die Servicezeit dank der Verwendung standardisierter Schnittstellen zu verkürzen. Dieser Ansatz ist entscheidend für die Aufrechterhaltung der Effizienz und Zuverlässigkeit der Flotte. Gleichzeitig ermöglichen modulare Komponenten den Flotten, mit dem technologischen Fortschritt Schritt zu halten und die sich rasant entwickelnden Vorschriften einzuhalten.

Fazit 

Im Wesentlichen ist die Modularisierung in der Transportwirtschaft ein transformatives Konzept, das auf die unterschiedlichen und sich entwickelnden Notwendigkeiten sowohl bei Pkw als auch bei Nutzfahrzeugen eingeht. Während beide Fahrzeugtypen gemeinsame Faktoren wie Konnektivität und Elektrifizierung vorweisen, unterscheiden sich ihre Ansätze zur Modularisierung aufgrund ihrer einzigartigen betrieblichen Anforderungen und der Marktnachfrage erheblich.  

Bei Pkw steht die Standardisierung im Vordergrund, mit deren Hilfe Skaleneffekte innerhalb der Plattform erzielt werden sollen, um eine Markteinführung zu beschleunigen und eine Vielzahl von anpassbaren Funktionen anzubieten, die das Kundenerlebnis verbessern. Bei Nutzfahrzeugen hingegen liegt der Schwerpunkt auf einem höheren und intensiveren Grad an Modularität, um umfangreiche Anpassungen, hohe Betriebszeiten und -effizienz zu unterstützen. Diese Faktoren sind entscheidend für nutzungsorientierte Anwendungen und eine lange Nutzungsdauer.  

Durch die Modularisierung erzielt die TRATON GROUP Skaleneffekte, indem sie die Wiederverwendung von Komponenten über die gesamte Produktpalette der Marken hinweg ermöglicht. Unternehmen wie TRATON sind ein Paradebeispiel für die erfolgreiche Umsetzung einer modularen Strategie, die Kundenbedürfnisse in technische Lösungen umsetzt und Innovationen durch offene Kombinationsmöglichkeiten fördert.  

Im Zuge der weiteren Entwicklung der Transportwirtschaft wird die Modularisierung ein wichtiger Faktor für Effizienz, Anpassungsfähigkeit und Nachhaltigkeit bleiben und zudem sicherstellen, dass Nutzfahrzeuge den Herausforderungen der Zukunft gewachsen sind.