Frau Herlt, was steckt hinter „Transport-as-a-Service“ – und warum haben aus Ihrer Sicht diejenigen recht, die in „TaaS“ einen entscheidenden Schlüssel für die nachhaltige Zukunft der Transportindustrie sehen?

Wir erleben einen fundamentalen Wandel in der Automobilindustrie hin zu Null-Emissions-Fahrzeugen – das schließt die Nutzfahrzeuge ein. Diese Veränderung bezieht sich aber nicht nur auf den Antrieb, sondern verändert auch das Geschäftsmodell selbst: weg von einem reinen Fokus auf Hardware, hin zu einem kundenzentrieren Service-Modell – zum Beispiel mit „Transport-as-a-Service“. Dieses abonnementbasierte Geschäftsmodell bietet den Kunden einen umfangreichen Service. Im „Frontend“, also dem Teil dieses Geschäftsmodells, das die Kunden „sehen“, umfasst dieses neue Ownership-Modelle, gekoppelt mit einem Komplettpaket für Versicherung, Wartung und Ladeinfrastruktur. Das alles wird bezahlt mit einer fixen monatlichen Rate. Die Voraussetzung dafür ist ein „Backend“ aufseiten des Mobilitätsanbieters, das sich durch eine kundenzentrierte Organisationsstruktur und ein Solution Profit Center auszeichnet. Dazu gehört auch, dass viel mehr Assets als bislang in den Büchern der Anbieter landen.

Jetzt ist TaaS nicht zwingend eine Neuerfindung der vergangenen Monate …

Das ist richtig. Diese Art Geschäftsmodelle wurden in den vergangenen Jahren bereits von neuen Unternehmen in der Mobilitätswelt vorangetrieben. Neu ist: Mittlerweile machen auch etablierte Truck-Unternehmen erste Angebote. Durch diese Bewegung entstehen neue Ökosysteme in der Industrie – angefangen von den Truck-Herstellern über Finanzierer bis hin zu Versicherern. Auch bei der Fahrzeugwartung entstehen spannende Kooperationen. Die Kombination aus Wartungsverträgen und den Daten, die in den Flotten gesammelt werden, können Kunden enger an das Wartungsnetz der Truck-Hersteller und -Anbieter binden. Dadurch entstehen attraktive Ertragsmöglichkeiten im Wartungs- und Reparaturmarkt.

Insbesondere für das Rollout von Null-Emissions-Fahrzeugen in der Breite spielen diese neuen Angebote eine sehr wichtige Rolle – denn sie können die bislang bestehenden größten Hürden adressieren. Null-Emissions-Trucks haben die zwei- bis dreifachen Anschaffungskosten im Vergleich zu einem Diesel-Lkw. Zusätzlich müssen Unternehmen noch in die Ladeinfrastruktur investieren. Nicht zu vergessen ist auch das Technologie- und Restwertrisiko. Transport-as-a-Service reduziert diese Hürden, da es das notwendige Investment reduziert und somit Flexibilität ermöglicht. Für die Hersteller ergeben sich dadurch neue Wertschöpfungspotenziale – sie können so mögliche Lücken durch den Wegfall des Dieselmotors, günstigere E-Motoren und allgemein geringere Wertschöpfungstiefen in der E-Mobilität kompensieren. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass die Hersteller in Breite selbst in die Logistik einsteigen werden – das Wettbewerbsumfeld ist sehr intensiv. Aber: Innovative Anbieter versuchen, genau in diese Lücke vorzustoßen und sich zwischen Herstellern und Logistikern zu positionieren.

Der wichtigste Punkt: Auf Kundenseite ist die Offenheit für Transport-as-a-Service absolut da. 70 Prozent der Betreiber von kleineren oder mittelgroßen Flotten sind interessiert – vor allem, um das Risiko beim Umstieg auf Null-Emissions-Fahrzeuge zu reduzieren. In Europa wären 30 bis 40 Prozent dafür bereit, fünf bis zehn Prozent mehr zu bezahlen. Für die Hersteller bedeutet das: Der Wettbewerb wird härter – aber auf der anderen Seite locken neue Partnerschaftsmodelle und viele Möglichkeiten, weitere Kundengruppen zu erreichen.

Elektrifizierung, Digitalisierung und autonomes Fahren sind die Megatrends der Transportindustrie. Wie verändern sie konkret das einzelne Transportunternehmen? 

Alle drei Trends haben auf lange Sicht einen enormen Einfluss auf Transportunternehmen. Kurz- und mittelfristig wirkt sich vor allem die notwendige Elektrifizierung stark aus, da sie die Anschaffungskosten pro Fahrzeug erhöht. Die Transportunternehmen müssen das Kapital dafür entweder vorhalten oder auf TaaS zurückgreifen. Digitalisierung kurzfristig und autonomes Fahren langfristig werden hingegen helfen, Kosten im Logistiksystem einzusparen. Diese neuen Technologien werden nach unseren Analysen zu einer Konsolidierung des Markts führen, da hohe Investitionen notwendig sind – und nur solche Transportunternehmen erfolgreich sein werden, die ihre Geschäftsmodelle auf die genannten Trends ausrichten. Zudem eröffnen diese Technologiesprünge immer wieder Chancen für neue, technologiebasierte Unternehmen.

Welche Vorteile bietet das TaaS-Konzept im Vergleich zum traditionellen Kauf oder Leasing von Nutzfahrzeugen, besonders im Hinblick auf Kosteneffizienz und Flexibilität?

Es gibt einige Vorteile. Erstens ermöglicht TaaS eine höhere Kosteneffizienz durch genaueres Pricing – Transportunternehmen zahlen nur das, was sie auch nutzen. Dies ist insbesondere ein Vorteil für kleinere Flotten beim Umstieg auf Null-Emissions-Trucks, ohne ein Investitionsrisiko schultern zu müssen. Zweitens ist die Flexibilität zu nennen – Unternehmen können sich schneller an ein wechselndes Marktumfeld anpassen. Drittens wird die Planbarkeit erhöht – das Restwertrisiko bleibt außerhalb der Bilanz des Transportunternehmens. Hinzu kommen eine geringere Komplexität, eine bessere Kundenorientierung und eine Optimierung der Uptime der Flotte durch mehr Daten.

Der Umstieg auf E-Mobilität ist gerade mit Blick auf die Finanzierung ein komplexer Prozess. Welche Rolle spielen etwa die höheren Anschaffungskosten, aber auch der höhere Restwert, Second Use und Second Life von teuren Batterien?

Die genannten Faktoren, insbesondere der deutlich höhere Anschaffungspreis, werden die Wichtigkeit von Finanzierungsprodukten sowie deren Penetrationsraten deutlich erhöhen. Die klassischen Finanzierungsprodukte wie Kredite oder Finanzierung werden weiterhin Anwendung finden, aber das Wachstum wird zum überwiegenden Teil von Full-Service-Angeboten beziehungsweise flexibleren Finanzierungsprodukten wie Operating Leases oder Subscription-Modellen kommen. Diese Modelle können die Risiken aus Kundensicht einfach besser abfedern. Zudem können Kunden besser auf Änderungen ihrer eigenen Kernkompetenzen fokussieren, wenn sie flexiblere Produkte nutzen. 

Welchen Einfluss kann (und gegebenenfalls sollte) der Finanzdienstleister nehmen, um den Wert des Fahrzeugs möglichst lange zu erhalten und so die Betriebszeit und die betriebliche Effizienz des Fahrzeugs zu maximieren?

Grundlegendes Ziel ist es immer, den Fahrzeugzustand bestmöglich zu erhalten beziehungsweise die Kilometerlaufleistung zu maximieren. Zudem kann der Finanzdienstleister über „Pay-how-you-use“-Modelle eine werterhaltende Fahrweise honorieren – mit den heute verfügbaren Daten in einem Truck ist dies bereits machbar. Bei diesen Modellen werden eine batterieschonende Nutzung und batterieschonendes Ladeverhalten, die Einhaltung von Wartungsintervallen sowie eine vorausschauende Fahrweise mit niedrigeren Prämien belohnt. Dies funktioniert umso besser, je transparenter die Bewertungskriterien sind. So erhöht sich die Attraktivität eines solchen Angebots, wenn das Fahrzeug mit seinem Feedback den Fahrer „trainiert“, also ihm direkt Verbesserungsvorschläge zum Fahr- und Ladeverhalten gibt.

Welche Rolle spielen erneuerbare Energien und umweltfreundliche Technologien im Kontext von Transport-as-a-Service?

TaaS hilft dabei, die Hürde hoher Anschaffungskosten zu überwinden und damit den Hochlauf von Null-Emissions-Trucks zu beschleunigen. Zudem kann TaaS mit einer „grünen“ Ladeinfrastruktur verbunden werden, indem nur Strom aus erneuerbaren Quellen geladen wird. TaaS kann auch direkt Lösungen zum nachhaltigeren Betrieb der Flotten enthalten. Ein Beispiel: Allein eine höhere Auslastung der Flotte hat schon einen Nachhaltigkeitseffekt. Zudem können Angebote wie Trainings zum nachhaltigen Fahren angeboten werden.

Welche langfristigen strategischen Überlegungen sollten Unternehmen anstellen, um sich in einem sich ständig entwickelnden Markt für TaaS zu positionieren und Wettbewerbsvorteile zu sichern?

Wir sprechen hier von einem absoluten Wachstumsmarkt, der viele Chancen bietet. Ich kann nur unterstreichen: Wichtig ist, den technologischen Wandel beherzt voranzutreiben – dies umfasst die E-Mobilität, Digitalisierung und autonomes Fahren – sowie die notwendigen Veränderungen im Geschäftsmodell und in den zugrunde liegenden Prozessen konsequent anzustoßen. Gezielte Pilotprojekte, um im Kleinen zu Lernen und Erfahrungswissen aufzubauen, sind oft ein guter erster Schritt. Dieser Umbau ist kein Sprint, sondern ein Marathon.