Die „Rationelle Wärmekraftmaschine“, für die der junge deutsche Ingenieur Rudolf Diesel am 23. Februar 1893 ein Patent erhielt, zählt zu den epochalen Erfindungen der Moderne. Eine explosive Idee, die wenige Jahre später zur Fusion der Unternehmen „Maschinenfabrik Augsburg" und „Maschinengesellschaft Nürnberg" – heute besser bekannt als MAN – und der Entwicklung des Dieselmotors führt. Schon beim ersten offiziellen Abnahmetest im Jahr 1897 erweist sich das 20-PS-starke Versuchsmodell mit einem Wirkungsgrad von damals eindrucksvollen 26 Prozent als äußerst wirtschaftliches Aggregat. Dank hoher Temperaturen und hohen Drucks entzündet sich das Kraftstoff-Luft-Gemisch im Brennraum von allein. Ein deutlicher Vorteil.

Die effiziente Antriebstechnologie sollte die Welt im Sturm erobern und befeuert bis heute den globalisierten Güterverkehr auf Straßen, Schienen oder zu Wasser. Doch 130 Jahre nach seiner Erfindung ist der Dieselmotor heute ein Auslaufmodell. So wie der Selbstzünder den Dampfmaschinen des 19. Jahrhunderts den Garaus machte, zeichnet sich heute ab, dass emissionsneutrale Antriebe dem Verfeuern von fossilen Brennstoffen in naher Zukunft ein Ende bereiten werden. Doch dies wird nicht von heute auf morgen gelingen.

Mit vereinter Energie zur effizienten Lösung

„Mit einem bahnbrechenden neuen Dieselmotor, dessen Design für die kommenden Jahre als Brückentechnologie in allen schweren Lkw der Gruppe Maßstäbe setzen wird“, sagt Michael Cunningham, Head of Conventional Powertrain bei TRATON. Der Weg dorthin war kein leichter, wie der US-amerikanische Ingenieur berichtet: „Der neue Gruppenmotor CBE (Common Base Engine) ist das Produkt eines intensiven Evolutionsprozesses. Die Entwicklung hat bereits 2012 bei Scania ihren Anfang genommen, lange bevor TRATON alle Marken unter einem Dach vereint hat. Als MAN im Jahr 2015 hinzugestoßen ist, wurde es zu einem globalen Gemeinschaftsprojekt, zu dem auch Navistar aus den USA und VWCO aus Brasilien beigetragen haben. Es galt viele kulturelle, industrielle und regulatorische Grenzen zu überwinden.“ Zuletzt waren zahlreiche Ingenieure aller TRATON Marken an der Entwicklung dieses globalen Produkts beteiligt.

„Die TRATON GRUPPE macht sich fit für die Zukunft: Das neue Batteriewerk von Scania in Södertälje, das neue Motorenwerk von MAN in Nürnberg und die Erweiterung der Fertigung von Navistar in Huntsville sind wegweisend für den Wandel der Mobilität."

Catharina Modahl Nilsson, CTO TRATON GROUP

Heute kann sich das Ergebnis mehr als nur sehen lassen: Die neue 13-Liter-Motorbaureihe bietet Kunden gesteigerte Kraftstoffeffizienz bei erhöhter Gesamtwirtschaftlichkeit und deutlich reduzierten CO2-Emissionen.

So belegte der Scania 460 R Highline – als erstes mit dem CBE angetriebenes Fahrzeug – beim europaweit renommierten 1000-Punkte-Test den ersten Platz. Mit 27,1 Liter Diesel auf 100 Kilometer punktete der neue Scania Super mit dem niedrigsten Verbrauch bei gleichzeitig höchster Durchschnittsgeschwindigkeit von 84,6 km/h. Michael Kern, Tester und Fachjournalist der Zeitschrift „Lastauto Omnibus“: „Da feiert der taufrische Weltmotor einen bemerkenswerten Einstand beim harten Praxistest und hinterlässt in der DC13-175 genannten 460-PS-Variante einen starken Eindruck.“ Hinzu kommt, dass der neue Antrieb die strengen Emissionsvorschriften der EU und der USA erfüllt.

Es ist geplant, dass der hocheffiziente gemeinsame Antriebsstrang mit dem neuen 13-Liter-Dieselmotor schrittweise in den Premiumfahrzeugen der TRATON GRUPPE eingeführt wird.

Fokus auf die Übergangszeit zur E-Mobilität in der Logistik

Mit dem CBE dreht die Dieseltechnologie bei TRATON gewissermaßen eine nachhaltige Ehrenrunde, denn die Gruppe verfolgt konsequent den Pfad der Elektromobilität. Ebenso wie beim Auto Diesel-Pkw und Benziner von E-Autos mehr und mehr verdrängt werden, werden sich in der Logistik die Lkw nicht dem Trend entziehen können und auch nicht entziehen wollen. „Doch der Abschied vom Verbrenner wird in der Transportbranche nicht auf Knopfdruck von heute auf morgen erfolgen. Manche Länder schreiten beim Aufbau der Ladeinfrastruktur für E-Trucks schneller voran, andere langsamer“, so Cunningham. Zudem gebe es geografische Besonderheiten zu beachten: Während sich in dicht besiedelten und industriell geprägten Regionen die E-Mobilität mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur schnell durchsetzen dürfte, stoßen alternative Antriebe in weniger entwickelten Ländern an gewisse Grenzen. „Für all diese Märkte und Einsatzprofile sind wir mit unserem neuen Gruppenmotor für die kommenden Jahre bestens aufgestellt und dabei besonders effizient und schadstoffarm. Es ist ein globaler Motor, der in Zusammenarbeit über drei Kontinente entstanden ist. Alle beteiligten Marken haben ihr Know-how, ihre Traditionen und auch ihren Stolz in die Entwicklung einfließen lassen – ohne die industrielle Logik des Projekts aus den Augen zu verlieren“, sagt Cunningham und blickt auf die Geschichte der Marken zurück: „Die TRATON Marken Scania, MAN und Navistar vereinen mehr als 300 Jahre Diesel-Erfahrung. Mit dem CBE haben wir das Beste aus allen Welten zusammengeführt. Diese Kultur der Kooperation wird fortleben und auch die batterieelektrische Transformation bei TRATON vorantreiben.“

Synergien bei Dieselmotor setzen Ressourcen für Elektroantriebe frei

Wird der CBE der letzte fossile Verbrennungsmotor von TRATON sein? Michael Cunningham legt sich fest: „Es wird die letzte komplett neu entwickelte Diesel-Motorenplattform sein. Wir werden sie auch künftig an die Kundenanforderungen anpassen. Aber unser Hauptaugenmerk liegt heute auf Null-Emissions-Nutzfahrzeugen. Die gewonnenen Synergien beim Einsatz des Gruppenmotors erlauben es uns, mehr in die Entwicklung alternativer E-Antriebe zu investieren.“ Ganz im Sinne von Rudolf Diesel, schließlich war Effizienz der zentrale Gedanke des Pioniers der modernen Mobilität. Vom CBE wäre der Erfinder sicherlich beeindruckt: Die neuen Motoren erreichen einen Wirkungsgrad von über 50 Prozent. Sie sind die modernsten Dieselmotoren unserer Zeit.