Das Laden von Nutzfahrzeugen bedeutet weit mehr als nur Stecker und Strom – es geht um den Aufbau von Infrastruktur, Partnerschaften und digitalen Services, die den elektrischen Transport am Laufen halten. In diesem Blog teilen wir Einblicke hinter die Kulissen, Branchenwissen und Expertenmeinungen, die die Zukunft des öffentlichen Ladens für schwere Nutzfahrzeuge in Europa gestalten.
02.05.2025
Mit der zunehmenden Verbreitung von Elektrofahrzeugen (EVs) muss sich auch die Ladeinfrastruktur weiterentwickeln, um den unterschiedlichen Anforderungen von Pkw und Nutzfahrzeugen gerecht zu werden. Auch wenn es übergeordnete Gemeinsamkeiten beim Ziel effizienter Ladelösungen gibt, erfordern die spezifischen Anforderungen dieser beiden Kategorien maßgeschneiderte Ansätze.
Ladeleistung und Fahrzeuganforderungen
Pkw verfügen in der Regel über Batteriekapazitäten zwischen 80 und 120 kWh und ermöglichen Reichweiten von 400 bis 550 Kilometern. Entsprechend sind die Ladestationen auf diese Spezifikationen ausgelegt und bieten häufig AC-Ladegeräte mit Leistungen bis zu 22 kW, die sich für das Laden über Nacht zu Hause oder am Arbeitsplatz eignen. Öffentliche Ladestationen können auch DC-Schnelllader bereitstellen, die höhere Leistungen (typischerweise 50 bis 350 kW) liefern und tagsüber ein schnelleres Nachladen ermöglichen.
Im Gegensatz dazu sind Nutzfahrzeuge – wie E-Lkw und Busse – mit deutlich größeren Batterien ausgestattet, um den Anforderungen im täglichen Betrieb gerecht zu werden. Dies erfordert Ladeinfrastruktur mit wesentlich höheren Leistungen, um Ausfallzeiten zu minimieren. Technologien wie das Megawatt Charging System (MCS) werden derzeit entwickelt und erprobt, mit Leistungen von 750 bis 1.000 kW. Dies ist entscheidend, um hocheffizientes Laden während kurzer Ruhepausen der Fahrer zu ermöglichen und den Betrieb von Logistikflotten aufrechtzuerhalten.
B2C- vs. B2B-Lademodelle
Das Laden von Pkw erfolgt typischerweise im Business-to-Consumer-(B2C)-Modell. Es richtet sich an private EV-Besitzer, die auf eine Mischung aus Heim-, Arbeitsplatz- und öffentlichem Laden angewiesen sind. Öffentliche Ladepunkte befinden sich oft in Stadtzentren, Einkaufszentren, Supermärkten, Hotels und zunehmend entlang von Autobahnen, wo Ultra-Schnelllader (150–350 kW) das Reisen über lange Strecken erleichtern. Das Geschäftsmodell ist einfach: Die Nutzer zahlen pro kWh, pro Zeit oder über App-basierte Abonnements – mit geringer Komplexität und kurzen Nutzungsszenarien.
Das B2B-Ladeökosystem für Nutzfahrzeuge ist grundlegend anders – komplexer, strategischer und betriebsentscheidend. Flottenbetreiber sind auf das Laden als integralen Bestandteil ihres Geschäftsmodells angewiesen und benötigen daher maßgeschneiderte Lösungen, die über das reine Einstecken hinausgehen.
B2B-Ladebeziehungen beinhalten oft langfristige Verträge mit individuellen Service-Level-Agreements (SLAs), verhandelten Preisen und volumenbasierten Tarifen. Diese Vereinbarungen schaffen Kostentransparenz über längere Zeiträume – ein Muss für Betreiber großer Flotten, die hunderte Fahrzeuge verwalten und die Gesamtbetriebskosten (TCO) kalkulieren. In manchen Fällen sind Ladelösungen mit Flottenmanagement-Tools gekoppelt, die Live-Daten zu Energieverbrauch, Fahrzeugverfügbarkeit, Routenplanung und Lastverteilung bereitstellen. Manche Betreiber sichern sich auch exklusive Ladeleistungen an zentralen Knotenpunkten, mit garantierter Verfügbarkeit und 24/7-Support, um die Geschäftskontinuität sicherzustellen. In diesem Kontext entwickelt sich der Ladeanbieter vom Dienstleister zum strategischen Partner in der Elektrifizierungsstrategie der Flotte.
Zunehmend richten sich CPOs (Charging Point Operators) gezielter entweder an den B2C- oder den B2B-Markt. Unternehmen, die beide Segmente bedienen, beginnen oft damit, ihre Netzwerke getrennt zu betreiben – denn diese Segmente erfordern unterschiedliche Infrastruktur, wirtschaftliche Modelle und Kundenservices. Während Pkw-Märkte hohe Volumen bringen, ermöglichen Ladevorgänge im B2B-Bereich mit schweren Nutzfahrzeugen höhere Einnahmen pro Ladevorgang – allerdings bei größeren Erwartungen und betrieblichen Anforderungen.
Infrastrukturdesign und Ladeorte
Der Standort und das Design der Ladeinfrastruktur richten sich nach der Nutzung der jeweiligen Fahrzeugkategorie. Für Pkw muss das Laden so bequem und zugänglich wie möglich sein. Stadt- und Wohngebiete dominieren, aber auch Autobahnen spielen eine zunehmend wichtige Rolle – besonders für längere Fahrten. Hier sind Ultra-Schnelllader (150–350 kW) entscheidend, um Ausfallzeiten zu minimieren und das Betanken an Tankstellen nachzuahmen. Ladeinfrastrukturbetreiber und OEMs arbeiten gleichermaßen daran, Autobahnkorridore gut abzudecken, um nahtloses Reisen über Regionen und Länder hinweg zu ermöglichen.
Die Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge hingegen ist komplexer. Ladehubs müssen strategisch entlang großer Frachtkorridore, in der Nähe von Logistikzentren, Häfen und Industriegebieten sowie zunehmend auch entlang von Autobahnen platziert werden, um das Schnellladen unterwegs zu ermöglichen. Allerdings können Lkw nicht einfach jede Pkw-Ladestation ansteuern. Sie benötigen längere Parkplätze, größere Wendekreise und spezielle, für Lkw zugängliche Layouts. Auch der Energiebedarf ist deutlich höher und erfordert oft speziell errichtete Umspannwerke sowie eine frühzeitige Koordination mit Netzbetreibern.
Aus Sicht von B2B- und HDV-Kunden ist diese Trennung nicht nur willkommen – sie ist notwendig. Fahrer von Nutzfahrzeugen müssen enge Kurven, niedrige Überdachungen oder schmale Einfahrten vermeiden, die die Fahrzeugbewegung behindern könnten. Ebenso wichtig ist es, Warteschlangen oder Blockierungen durch kleinere Fahrzeuge – etwa Taxis – zu vermeiden, besonders an frei zugänglichen Stationen ohne Buchungssysteme oder reservierte Fahrspuren.
Der Ausbau von Ladeplätzen für Nutzfahrzeuge an Autobahnraststätten ist ein zentraler Bestandteil der Lösung, insbesondere um gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeiten zu unterstützen, die sich gut mit den Ladezeiten leistungsstarker Ladegeräte kombinieren lassen. Diese Standorte werden zunehmend so gestaltet, dass sie dem Erlebnis einer klassischen Tankstelle entsprechen – mit Verpflegung, Toiletten, Duschen und Sicherheitsmaßnahmen – alles essenziell für Berufskraftfahrer.
Fahrerannehmlichkeiten und Erwartungen
Mit zunehmender Marktreife erwarten sowohl Pkw- als auch Nutzfahrzeugfahrer mehr als nur eine Lademöglichkeit. Während EV-Fahrer Annehmlichkeiten wie Toiletten, WLAN oder Cafés schätzen, benötigen Berufskraftfahrer – die oft einen ganzen Arbeitstag unterwegs sind – noch gezieltere Angebote.
Moderne Ladehubs für Lkw bieten zunehmend Ruhebereiche, Duschen, Essensangebote und sichere Übernachtungsparkplätze. Diese Angebote verbessern nicht nur das Fahrerlebnis, sondern erfüllen auch gesetzliche Ruhezeitvorgaben im Transportsektor. So entwickeln sich Ladehubs für Nutzfahrzeuge immer mehr zu modernen Servicebereichen – vergleichbar mit heutigen Tankstellen.
Gemeinsamkeiten und geteilte Ziele
Trotz dieser Unterschiede gibt es gemeinsame Grundlagen. Beide Netztypen verfolgen das Ziel, Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und eine positive Nutzererfahrung zu bieten. Beide profitieren von Interoperabilität, offenen Standards und konsistenten Preisstrukturen. Mit der Weiterentwicklung der Elektromobilität könnte es zu einer teilweisen Angleichung von Funktionen kommen – etwa durch gemeinsame Ladeplattformen, Fahrer-Apps oder kompatible Bezahlsysteme. Doch das grundlegende Design und der Betrieb der beiden Netztypen werden weiterhin den Bedürfnissen zweier sehr unterschiedlicher Nutzergruppen entsprechen.
Zunehmend deutlich wird auch die wachsende Bedeutung von Ladequalität und Verfügbarkeit. Für B2B-Kunden, die unter wirtschaftlichem Druck stehen, stellen defekte Ladegeräte oder mangelhafte digitale Schnittstellen erhebliche betriebliche Risiken dar. Studien zeigen, dass Ladestationen für Pkw in bis zu 70 % der Fälle fehlerhaft sein können – sei es durch falsch angegebene Standorte, defekte RFID-Leser oder Systemausfälle. B2B-Betreiber können sich dieses Maß an Unvorhersehbarkeit nicht leisten. Die finanziellen Risiken sind höher, die Abhängigkeit von Betriebszeiten größer – und damit der Bedarf an Anreizen, robuste Infrastrukturen zu schaffen und ein konstant hohes Qualitätsniveau zu sichern.
02.05.2025
Angesichts des wachsenden Marktes für Elektro-Lkw investieren Ölkonzerne wie OilCo in dedizierte Infrastruktur. Mit großen finanziellen Mitteln, strategisch gesichertem Land und hoher Kundentreue bauen sie ihre Netze aus – teilweise exklusiv für ihre eigenen eMSP-Lösungen. Der Zugang zu diesen Netzen wird zunehmend an Volumenverpflichtungen geknüpft. Eine Strategie von TRATON Charging Solutions zielt darauf ab, diese Akteure zu identifizieren und eine mögliche GWh-Obergrenze festzulegen, die in Verhandlungen gemeinsam mit den Marken genutzt werden kann – denn letztlich liefern diese Marken die Volumina.
In den letzten Jahren haben große Ölkonzerne wie BP, Shell und TotalEnergies massiv in die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge investiert. Dieser strategische Wandel dient der Anpassung an die sich verändernde Energielandschaft und der Sicherung ihrer Position in einer Zukunft, in der Elektromobilität eine zentrale Rolle spielt.
Diese Unternehmen nutzen ihre umfangreichen Ressourcen, um sich frühzeitig im EV-Lademarkt zu positionieren. So plant Shell bis 2025 den Aufbau von 50.000 Ladestationen weltweit, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Auch BP investiert stark in den Ausbau seiner Ladeinfrastruktur – mit dem Ziel, das eigene Netz von 7.500 auf 70.000 Ladepunkte bis 2030 zu erweitern.
Dabei bauen sie nicht nur eigene Ladestationen, sondern übernehmen auch bestehende Netzwerke und Technologieunternehmen, um ihre Kompetenzen auszubauen. Dadurch gelingt ihnen eine vertikale Integration in der EV-Wertschöpfungskette und die Bereitstellung umfassender Dienstleistungen für Endkunden und Flottenbetreiber.
Haupttreiber dieses Strategiewechsels ist der erwartete Rückgang der Ölnachfrage durch den Aufstieg von Elektrofahrzeugen. Da der Transportsektor einen erheblichen Anteil am weltweiten Ölverbrauch hat, wird mit zunehmender EV-Verbreitung ein Rückgang der traditionellen Kraftstoffverkäufe erwartet. Die Investitionen in EV-Infrastruktur sollen diesen Rückgang ausgleichen und neue Umsatzquellen erschließen.
Zudem stehen diese Aktivitäten im Einklang mit unternehmerischen Nachhaltigkeitszielen und zunehmendem regulatorischem Druck zur CO₂-Reduktion. Durch den Einstieg in die Elektromobilität können Ölkonzerne ihr Image verbessern und neue Umweltstandards erfüllen.
Allerdings zeigen aktuelle Entwicklungen auch eine differenzierte Strategie: So kündigte BP an, die Investitionen in Öl und Gas auf rund 10 Milliarden USD pro Jahr zu erhöhen und die Ölproduktion bis 2030 auf 2,3 bis 2,5 Millionen Barrel pro Tag zu steigern. Gleichzeitig sollen die Investitionen in erneuerbare Energien auf 1,5 bis 2 Milliarden USD jährlich reduziert werden, wobei der Fokus auf ausgewählten Projekten der Energiewende liegt.
Dieser Kurswechsel erfolgt nach einem deutlichen Gewinnrückgang im Jahr 2024 und auf Druck von Investoren wie dem US-Hedgefonds Elliott Management, der verstärkte Investitionen in traditionelle Energien forderte. Diese Entscheidung wurde von Umweltgruppen scharf kritisiert und verdeutlicht den Spagat zwischen finanzieller Leistung und Nachhaltigkeitszielen.
Für TRATON Charging Solutions erfordert der Einstieg großer Ölkonzerne in den EV-Markt eine klare strategische Antwort. Um wettbewerbsfähigen Zugang zu Ladestrukturen sicherzustellen, setzt TRATON Charging Solutions auf direkte Vereinbarungen mit diesen Charging Point Operators (CPOs). Ziel ist es, faire Preise und zuverlässigen Zugang für Kunden zu sichern und Abhängigkeiten von durch Ölkonzerne kontrollierten Netzwerken zu vermeiden.
Zusammengefasst: Ölkonzerne investieren zunehmend in Ladeinfrastruktur, um sich an die neue Energiewelt anzupassen. Gleichzeitig bleiben fossile Brennstoffe ein Kerngeschäft. Diese doppelte Strategie zeigt die Herausforderungen beim Übergang zu nachhaltiger Energieversorgung.