Die Verhandlungen vor der Firmengründung zogen sich über 13 Jahre – schon allein das zeigt die Bedeutung des Unternehmens, das die Erzkonkurrenten Cyrus McCormick Jr. und William Deering im Auge hatten. 1889 trafen sich die beiden zum ersten Mal, um über einen Zusammenschluss ihrer beiden Firmen zu sprechen. Am 12. August 1902 war der Deal schließlich unter Dach und Fach. Die beiden größten amerikanischen Landwirtschaftsmaschinenhersteller, die McCormick Harvesting Machine Company und die Deering Harverster Company, besiegelten ihre Fusion, die zudem drei kleinere Hersteller von Agrargeräten einschloss. Das neue Unternehmen war mit 85 Prozent Marktanteil der größte Landmaschinenhersteller der USA.

Cyrus McCormick Jr. krönte mit dieser Fusion das unternehmerische Werk, das sein Vater 1831 mit der Erfindung der Getreidemähmaschine begonnen hatte. Mit dem sogenannten "Virginia Reaper" begann die Mechanisierung der Landwirtschaft – und der Aufstieg der wenig später gegründeten Firma. 1884, nach dem Tod seines Vaters, übernahm Cyrus McCormick Jr. die Leitung der McCormick Harvesting Machine Company. Er war damals erst 25 Jahre alt und gerade von der Princeton University zurückgekehrt. Das Unternehmen prosperierte. Gleichzeitig stand es aber auch in einem harten Wettbewerb mit etwa 200 kleineren Mähmaschinenherstellern. Denn die Branche erlebte während der Boomjahre nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg, dem sogenannten "Gilded Age", eine Blütezeit.

Mit dem Zusammenschluss ihrer beiden Firmen im Jahr 1902 bewiesen McCormick und Deering unternehmerischen Weitblick. International Harvester bündelte ein weit verzweigtes Vertriebsnetz, eine robuste Lieferkette, zahlreiche Produktionsanlagen und vor allem immenses technisches Wissen. Dieses Wissen um die Technologie ermöglichte bereits unmittelbar nach der Fusion ein wahres Innovationsfeuerwerk. Besonders der Ingenieur Ed Johnston nutzte die neuen Entwicklungsmöglichkeiten und sorgte für etliche technologische Meilensteine.

  •  1904 stellte International Harvester erstmals einen Benzinmotor vor.
  •  1906 kam der erste Traktor namens "Mogul" auf den Markt.
  •  1907 wurde das erste Automobil, mit tatkräftiger Unterstützung George Ellis von Deering, das Modell "Auto Buggy", präsentiert.
  •  1909 fuhr bereits der erste Lastwagen von International Harvester vor. Der  "Auto Wagon" war die Keimzelle der Marke International Truck, unter der bis heute die Lastwagenflotte von Navistar vermarktet wird. Das Fahrzeug war so konstruiert, dass er einen Farmer samt Familie und Feldfrüchten auf den Markt der nächsten Stadt bringen konnte. Ein robuster, zuverlässiger Kleinlastwagen mit bis zu 400 Kilogramm Zuladung.

International Harvester wuchs bis 1910 zum viertgrößten Unternehmen der USA heran. In den zehn Jahren nach der Fusion hatte sich der Umsatz mehr als verdoppelt, die Exporte waren um 388 Prozent gestiegen. In rund 40 Ländern wurden 75.000 Menschen beschäftigt.

1915 brachte International Harvester eine bis heute imageprägende Ikone auf den Markt: den ersten Schulbus. Anfangs schwarz lackiert, gehören die inzwischen in auffälligem Gelb gehaltenen Busse zum US-Straßenbild wie Pick-ups oder Vans. Schon bald waren Lkw und Busse tragende Säulen des Geschäfts. Die Fahrzeuge galten als außerordentlich verlässlich und langlebig. Nicht umsonst wurde International Harvester als exklusiver Lkw-Lieferant für die Bauarbeiten des Hoover-Staudamms ab 1931 ausgewählt. In den drei Jahren dieses Projekts bestätigten die IH Lastwagen das in sie gesetzte Vertrauen vollauf. Bis Mitte der 70er-Jahre lieferte das Unternehmen weltweit mehr als fünf Millionen Lastwagen aus. Das gelang unter anderem auch durch erfolgreiche Joint-Ventures, etwa mit Otomotiv Turkey in der Türkei.

Anfang der 80er-Jahre entschied sich das Management von International Harvester zu einer Umstrukturierung. Die Geschäftsfelder Baumaschinen (1982) und Landwirtschaftsmaschinen (1984) wurden verkauft. 1986 schließlich folgte ein kompletter Neustart unter dem Namen Navistar. Das neue Unternehmen fokussierte sich fortan ganz auf Lkw, Busse und Motoren. 1995 übernahm Navistar den Bus-Karosserie-Hersteller American Transportation Corporation (Am Tran), um seine führende Rolle als US-Schulbus-Fabrikant zu festigen.

Der nächste Zusammenschluss wurde, ähnlich wie die erste große Fusion des Unternehmens vor mehr als hundert Jahren, sorgfältig vorbereitet. Denn seit 2016 besteht eine Allianz von Navistar mit dem Volkswagen-Konzern. Die vollständige Übernahme von Navistar und seinen traditionsstarken Marken durch die wachstumsorientierte TRATON GROUP, markiert den Beginn eines neuen Kapitels der Unternehmensgeschichte: der Zusammenarbeit als globaler Champion in der Transport- und Logistikindustrie.

TRATON GROUP schließt Zusammen­schluss mit Navistar erfolgreich ab und startet in eine neue Ära - lesen Sie hier die dazugehörige Pressemitteilung.