Es sind Fotos, die zum Betrachter sprechen. Alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen, aus denen Stimmen und Geräusche zu klingen scheinen. Das Rattern der Reifen eines kastenförmigen Überlandbusses, der ab 1916 auf den sandigen Straßen Bayerns rund um den Tegernsee Passagiere und Post transportierte. Das Klirren der Milchflaschen, die eine Händlerin 1920 im Heck eines Milchtransporters verstaut. Das Lachen der finnischen Bauarbeiter, die im Jahr 1921 im hohen Norden Europas vor einem Pritschen-Lkw mit der Aufschrift Tie-ja vesirakennusten ylihallitus („Behörde für Straßen- und Wasserbau“) posieren.
Auf all diesen Fotos aus der Frühphase des 20. Jahrhunderts steht immer auch ein Fahrzeug im Mittelpunkt. Ob bei Arbeitseinsätzen im Straßenbau, dem täglichen Transport von Milch oder Post, in Diensten der Feuerwehr, der staatlichen Baubehörden oder von großen Brauereien – Lastwagen und Busse von M.A.N. bewegten Menschen und Güter schon in der Frühzeit der motorisierten Mobilität. 2015 feierte das Unternehmen MAN – mittlerweile ohne die einst typischen Punkte zwischen den Buchstaben im Firmennamen – 100 Jahre Nutzfahrzeugbau. Ein ehrenwertes Jubiläum, doch die Geschichte des Unternehmens geht noch viel weiter zurück.
Die Wurzeln des heute weltweit agierenden Nutzfahrzeugherstellers MAN reichen tatsächlich mehr als 260 Jahre zurück in die Geschichte. Drei Unternehmen waren es, die einst ihre Kräfte bündelten und zu einem der bedeutendsten Mobilitätsanbieter der Welt verschmolzen. Den Anfang machte Ludwig Sander, groß geworden im familiären Tabakgeschäft. Er gründete 1840 in Augsburg die Sander’sche Maschinenfabrik. Im süddeutschen Werk ließ Unternehmer Sander mechanische Webstühle herstellen, später dann Dampfmaschinen. Ein Jahr darauf gründete der frühere Spielwaren-Händler Johan Friedrich Klett in 150 Kilometer Entfernung in Nürnberg die Eisengießerei und Maschinenfabrik Klett & Comp. Auch hier wurden zunächst Dampfmaschinen gefertigt, bevor das Unternehmen sich auf die Produktion von Eisenbahnwagen und schließlich den Bau von mächtigen Eisenbahnbrücken spezialisierte.
Beide Unternehmen fusionierten, jeweils nach mehreren Umfirmierungen, 1898 zur Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinenbaugesellschaft Nürnberg A.G., die zehn Jahre später in Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg A.G. umbenannt wurde. Das neue Firmenkürzel lautete: M.A.N. 1920 übernahm das Traditionsunternehmen Gutehoffnungshütte aus dem Ruhrgebiet die Aktienmehrheit am noch jungen M.A.N.-Konzern. Damit war das prägende Unternehmenstrio komplett. Gutehoffnungshütte – kurz: GHH – war ein bereits 1758 gegründetes Bergbauunternehmen. Auch dank der Stärke von M.A.N. stieg GHH im 20. Jahrhundert zum größten Maschinen- und Anlagenbauer Europas auf – bis es schließlich in den 1980er-Jahren selbst im heutigen MAN-Konzern aufging.
Weit davor war das Unternehmen zu einem der ersten internationalen Mobilitäts-Pioniere gewachsen: Schiffsdieselmotoren für Ozeanriesen, majestätische Brückenbauten über den Rhein, Schwimmdocks für den Schiffsbau in China, U-Boot-Motoren für die französische Marine, der prachtvolle Eisenbahn-Salonwagen für König Ludwig II von Bayern – in den M.A.N.-Werken entstanden Meisterleistungen deutscher Ingenieurskunst. „Die M.A.N. und ihre Vorgängerunternehmen hatten schon vor der Gründung der Nutzfahrzeugsparte maßgeblichen Einfluss auf die deutsche Industrie- und Technikentwicklung“, schreiben die Historiker Henning Stibbe und Matthias Georgi in der Festschrift „MAN. Ein Jahrhundert“, in dem die eingangs beschriebenen Fotos abgebildet sind.
1915 rollte schließlich der erste Lkw vom Band. Die Strategie des damaligen Generaldirektors Anton von Rieppel lautete: „Die M.A.N. muss auf Räder gestellt werden.“ Im 1. Weltkrieg waren plötzlich Kraftwagen in großer Zahl gefragt. Weil aber die Produktion nicht im Handumdrehen von Eisenbahnwagons und Brückenbauten, den bis dahin erfolgreichsten Produkten im Portfolio, auf Automobile umgestellt werden konnte, kooperierte M.A.N. mit dem weltweit agierenden Nutzfahrzeughersteller Adolph Saurer aus der Schweiz. Eine gemeinsame Produktionsgesellschaft wurde gegründet, von der beide Unternehmen profitierten. Beide konnten ihr Produktportfolio deutlich erweitern.
Mit der geballten Kompetenz im aufblühenden Mobilitätsgeschäft entwickelten sich die Lastwagenwerke M.A.N.-Saurer zu einem weltweit führenden Hersteller von Lastkraftwagen und Bussen. Aus diesem Joint Venture entwickelte sich die heutige MAN Truck & Bus. Schon bald waren seinerzeit die Fahrzeuge aus Nürnberg auf der ganzen Welt im Einsatz, in Afrika wie in China, in Südamerika wie in Skandinavien. Die moderne Welt nahm zusehends Gestalt an, auch dank der zuverlässigen Lkw und Omnibusse von M.A.N.
Der Blick in die weit zurückliegenden Gründerjahre des Unternehmens zeigt: MAN war immer schon ein außergewöhnlich vielseitiges und flexibles Unternehmen. Ein innovativer Vorreiter der internationalen Mobilität, der früh auf Kooperationen und Fusionen setzte, um den wachsenden Anforderungen neuer Zeiten gerecht zu werden. So wandelte sich das Unternehmen vom Brückenbauer zum Eisenbahn-Entwickler, vom Nutzfahrzeughersteller zum modernen Großkonzern. Und jüngst schließlich zu einem führenden Mobilitätsunternehmen der TRATON GROUP, das auch im digitalen Zeitalter visionäre Produkte und maßgeschneiderte, nachhaltige Mobilitätsdienstleistungen anbietet.