Marcos Forgioni, Vice President International Sales bei Volkswagen Caminhões e Ônibus

In den 54 Ländern Afrikas leben fast 1,3 Milliarden Menschen. Und die Bevölkerungszahl auf dem Kontinent nimmt zu: Für das Jahr 2050 erwartet die UN eine knappe Verdopplung auf 2,5 Milliarden Menschen. Mit den Einwohnerzahlen wächst auch die Notwendigkeit, Menschen und Güter schneller und effizienter zu befördern. Afrika gilt als Zukunftsmarkt für Transport und Mobilität. „Vor allem in den nordafrikanischen Staaten Algerien, Marokko und Ägypten, aber auch in Nigeria, Kenia und Südafrika haben sich Unternehmen etabliert, die Autos für den heimischen Markt und den Export herstellen“, erläutert Marcos Forgioni, Vice President International Sales bei Volkswagen Caminhões e Ônibus. Sein Unternehmen, eine Marke der TRATON GROUP, gilt als Spezialist für Emerging Markets und zählt Südafrika, Angola und Nigeria zu seinen wichtigsten Absatzmärkten in Afrika. Mit einem Montagewerk für Lkw und Busse in Südafrika sowie einem gemeinsamen Montagewerk mit MAN ist Volkswagen Caminhões e Ônibus hervorragend aufgestellt.

Zuverlässige Mobilität für starkes Wachstum

Victor Radebe, Geschäftsführer des Mobility Centre for Africa (MCA)

Für die wirtschaftliche Entwicklung des gesamten Kontinents gilt: Zuverlässige Transportmöglichkeiten sind unabdingbar. „Im Wesentlichen sprechen wir hier über den straßenbasierten Verkehr“, sagt Victor Radebe, Geschäftsführer des Mobility Centre for Africa (MCA), „also Autos, kleinere und größere Nutzfahrzeuge und Busse.“ Das Eisenbahnnetz in Afrika sei nicht gut ausgebaut. Rund 90 Prozent des Transports in Afrika finden auf Straßen statt, viele davon seien in schlechtem Zustand. Die Länder in Afrika haben jeweils spezielle Anforderungen an Mobilität, erklärt der Experte des MCA, einer gemeinnützigen Initiative mit Sitz in der südafrikanischen Stadt Durban. Radebe sieht vier Hauptprobleme beim Thema Verkehr: die hohe Zahl an Unfällen – 2016 gab es 16.000 Verkehrstote allein in Südafrika –, der hohe Preis für Mobilität, die zunehmenden CO₂- Emissionen und die nicht enden wollenden Staus. In unterschiedlicher Ausprägung gelten diese Probleme für alle Länder Afrikas, sagt Radebe. Neben dem Ausbau der Infrastruktur sollen Fahrzeuge mit besseren Sicherheitssystemen und emissionsärmeren Antrieben dazu beitragen, die Probleme zu lösen. Notbremsassistenten und Spurhaltesysteme könnten helfen, die Zahl der Unfälle und Verkehrsopfer zu senken. Insbesondere für Nutzfahrzeuge seien solche Technologien flächendeckend notwendig, sagt Radebe. Seine Vision: Verbrauchsärmere und günstige Hybrid- und Elektroantriebe reduzieren die CO₂-Emissionen – und Car- und Ride-Sharing vermindern die Zahl der Fahrzeuge auf den Straßen. In rund 80 Prozent aller Autos in Afrika sitzt heute nur eine einzige Person ohne Mitfahrer.

Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs

David van Graan, Head of Special Sales Projects bei MAN Automotive in Südafrika

Um Verkehr besser zu lenken, sind aber auch andere Maßnahmen sinnvoll. Etwa der Ausbau eines öffentlichen Nahverkehrs. „Ob alt oder neu – in Afrika gibt es wachsenden Bedarf für die verschiedensten Technologien im Nutzfahrzeuge-Markt“, sagt David van Graan, Head of Special Sales Projects bei MAN Automotive in Südafrika. Die Zahlen bestätigen ihn: Im ersten Halbjahr 2018 betrug der Nutzfahrzeugabsatz der Marken der TRATON GROUP in Afrika rund 5.000 Einheiten, was einem Plus von 16,7 Prozent entspricht. MAN ist sowohl in Südafrika als auch in Nordafrika stark vertreten: So verzeichneten Ägypten, Algerien, Marokko und Tunesien eine positive Absatzentwicklung. Mit einem Netzwerk aus Montagewerken und verschiedenen Importeuren ist MAN gut positioniert, um die Bedürfnisse der unterschiedlichen Märkte zu erfüllen.

Fredrik Morsing, Managing Director bei Scania West Africa Ltd

Auch Scania sieht einen Bedarf an zeitgemäßen Lösungen. So hat der schwedische Nutzfahrzeugspezialist im Juni 2018 ein Memorandum of Understanding mit der Regierung von Burkina Faso unterzeichnet, um in der Hauptstadt Ouagadougou ein modernes und effizientes Bussystem aufzubauen. Geplant ist der Einsatz von 550 Bussen.
„Der Transport von Menschen und Gütern in Afrika wächst weiter an. Die Herausforderung ist, dieses Wachstum so zu steuern, dass die Umwelt möglichst wenig beeinträchtigt wird“, sagt Fredrik Morsing, Managing Director bei Scania West Africa Ltd. „Indem wir Busse in Städte in Nigeria und Burkina Faso liefern – um nur zwei Beispiele zu benennen –, helfen wir, öffentliche Transporte effizienter zu machen. Das hat positive Auswirkungen, weil weniger Menschen mit dem Auto oder Motorrad fahren. Scania versucht immer, die jeweiligen Aufgaben ganzheitlich zu betrachten.“ Das Unternehmen will außerdem die Einführung alternativer Kraftstoffe prüfen, damit die Flotte mit Biogas und Biodiesel betrieben werden kann. Scania verfügt über viel Erfahrung mit Stadtbussen und hat bereits 400 Busse in Ghana ausgeliefert.

Politische Entscheidungen

Die Nachfrage lässt sich nach David van Graan grob in drei Sektoren einteilen: Premium-Hightech, Budget-Intermediate-Tech und einen günstigen Lowtech-Einstiegsbereich. „Der geringere Part entfällt auf das Hightech-Segment. Solche Fahrzeuge werden hauptsächlich von großen multinationalen Konzernen angeschafft“, sagt der MAN-Experte. „Der Großteil des Bedarfs entfällt auf kostengünstigere Technologien. Dieselmotoren sind daher in Afrika weiterhin gefragt – Euro-4- und -5-Motoren werden in den kommenden fünf Jahren schrittweise eingeführt.“ Die größeren Player im Elektromobilitätssektor drängten auch hier auf modernere und sauberere Antriebstechnologien. In Afrika fehlt es aber noch an der Infrastruktur dafür, so Graan. Beispielsweise Raffinerietechnik, die schwefelarmen Diesel produzieren kann, der für die Euro-5- und -6-Motoren notwendig ist, oder Ladesäulen für Elektrofahrzeuge und Erdgas-Tankstellen. Das Mobilitätswachstum in Afrika wird daher auf absehbare Zeit stark auf Verbrennungsmotoren basieren: Die Regierungen auf dem Kontinent müssten die für neue Antriebstechnologien nötigen Investitionen in der Realität gegen grundlegendere Bedürfnisse der Menschen abwägen, sagt van Graan. „Das bedeutet: Ganz oben auf der politischen Agenda in den Ländern Afrikas stehen die Themen Wohnraum, Wasser, Elektrizität und Bildung.“ Dennoch steht außer Frage, dass das künftige Wachstum des Kontinents nur mit Fortschritten bei Transport und Personenbeförderung gestaltet werden kann.